Johanna Orsini und Reini Moritz in "Zell-Arzberg", inszeniert von Franz-Xaver Mayr.

Foto: Marcella Ruiz Cruz

Es ist eine feine Idee: Regisseur Franz-Xaver Mayr platziert die ehelichen Kampfsportübungen aus Werner Koflers Hörstück Zell-Arzberg. Ein Exzess auf eine Matte von Belanglosigkeiten, die das Leben so anfüllen. Vom Kofferraum bis zum Urlaub, vom Kleidungskauf bis zum Bier, vom Telefonat bis zum Herzinfarkt, alles gepackt in die Handy-Botschaft einer gewissen Sabine, die Johanna Orsini zum Auftakt der Produktion des Klagenfurter Ensembles mit jener Verwunderung zu Gehör bringt, die sich am Lebensende einstellt, wenn klar wird: Das war’s.

Keine eineinhalb Stunden trennen da ihren von Reini Moritz gespielten Gatten mehr von seinem Tod, aber gestritten wird bis zuletzt, wenn nicht noch weiter. Denn die Figur des B., wie der Ehemann im 1978 zunächst als Hörspiel produzierten Text heißt, schleudert die Anwürfe gegen seine Frau und dann gleich auch gegen den Autor noch aus dem Jenseits herüber.

Es ist ein früher, fulminanter Text des 2011 verstorbenen Autors. Etwas untypisch im Wühlen in den Abgründen eines Ehelebens, ist doch Wort für Wort energetisch schon so aufgeladen, dass es gut und gern Funken sprühen könnte. Johanna Orsini und Reini Moritz vermitteln diese Hochspannung in äußerster Konzentration. Deren bedarf es auch deshalb, weil der Großteil des Textes von beiden Figuren gleichzeitig gesprochen wird, sodass man auf den Atemeinsatz des Gegenübers zu achten hat.

Keine Ablenkung

Die Äußerung der gegenseitigen Anschuldigungen, der Gemeinheiten und Unterstellungen in Personalunion macht klar, dass der Streit auch gerichtlich nicht lösbar ist. Ob B., der erfolglose Betreiber einer Agentur, die Ehe mit A. nur eingegangen ist, um an ihren Familienbesitz Zell-Arzberg zu kommen, ob er die Türklinken mit ekelhaften Flüssigkeiten bestrichen hat, um A. zu erschrecken, ob er wirklich gewalttätig ihr gegenüber wurde oder ob alles nur ihrer boshaften Fantasie entsprang, die sie ohne Unterlass einsetzte, um ihn in den Herztod zu treiben – man weiß es nicht.

Nichts lenkt in der Inszenierung vom Text ab, nichts schützt das Publikum davor. Zwar treten die beiden Darstellenden wie zu einem hitzigen Kampfsportevent an, wenden sich dann aber ganz dem Publikum zu, als wäre dieses der Richter, den sie, geklagt und widerklagend, beide angerufen haben, ohne dass es schon aus rein materiellen Gründen einen gangbaren Ausweg gegeben hätte.

So gesehen ist das Hörstück Zell-Arzberg. Ein Exzess noch in der Nähe des absurden Theaters. Aber im Sinn des Autors und seines späteren Werkes haben wir es auch hier schon mit einer zur Kenntlichkeit entstellten Wirklichkeit zu tun: der Wirklichkeit unserer Heiratssachen. (Michael Cerha, 22.1.2022)