Förderungen sollen die Nachverdichtung in Tirol attraktiver gestalten.

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Christina und Roland sind erleichtert, aber auch ein bisschen nervös. Nach langem Hin und Her haben sie sich entschieden, den ersten Stock im Haus von Rolands Eltern auszubauen. In zwei Jahren will das Paar einziehen. Doch bevor die Arbeiten in die Höhe beginnt, knipsen sie erst einmal das Licht im Keller an.

Das Einfamilienhaus in Tirol soll zum Zweifamilienhaus werden, und das bedeutet, Räume wie Keller, Garage oder Werkstatt aufzuteilen. Dass diese Flächen bereits vorhanden sind, spart den beiden viel Geld – Grundstücks- und Erschließungskosten fallen weg.

Wobei Häuslbauer den realen Preis für die Errichtung und den Betrieb von Kanal- und Stromanschluss ohnehin nicht an die Kommune rückführen müssen. Das kritisieren zumindest Raumplaner wie Hans Kramar von der TU Wien seit Jahren. Für den Leiter des Forschungsbereichs Stadt- und Regionalforschung sind diese Zusatzkosten für Gemeinden nur einer von mehreren Gründen, die Nachverdichtung zu forcieren. Auch der Flächenfraß muss laut Kramar reduziert werden.

Boden ist rares Gut

"Boden ist eine endliche und nicht vermehrbare Ressource", sagt er. In alpinen Bundesländern wie Tirol und im urbanen Bereich bleibe ohnehin nicht mehr viel Fläche übrig, um sich auszubreiten.

Einer Statistik des Umweltbundesamts zufolge macht der Dauersiedlungsraum in Tirol nur zwölf Prozent der Gesamtfläche aus. Damit rangiert das Bundesland auf dem letzten Platz hinter Salzburg (20) und Vorarlberg (23). Nur im Dauersiedlungsraum sind Wohngebiete, Landwirtschaft und Infrastruktur überhaupt möglich.

Dass der Platz langsam knapp wird, weiß man auch in Tirol – und versucht die Nachverdichtung mittels Förderungen attraktiver zu gestalten. Bei der Landesförderung "ohne weiteren Grundverbrauch" etwa haben Antragsteller die Wahl zwischen einem Kredit "zu besonders günstigen Konditionen" oder einem Wohnbauscheck.

Letzterer bietet eine Einmalauszahlung von 35 Prozent des Förderungskredits. 2021 wurden 146 Wohnungen mit dieser Förderung gebaut, heißt es beim Land Tirol.

Bevor sich Christina und Roland aber überhaupt mit Kredit und Bauscheck auseinandersetzen, besprechen sie sich erst einmal mit Architekt Egon Hosp. Er weiß um die finanziellen, klimarelevanten und energetischen Vorteile einer Aufstockung im Gegensatz zum Einfamilienhaus und sieht darin die Zukunft des Bauens.

Die Arbeit mit einer bereits bestehenden Struktur startet bei den Bestandsplänen. Hosp vergleicht sie mit dem Ist-Zustand und lässt Haus sowie Grundstücksflächen neu vermessen. Der Grund: Früher wurde "händisch und manchmal sogar Pi mal Daumen statt exakt nach Plan gebaut", das mache eine Überprüfung notwendig. Danach fertigt er einen neuen, digitalen Plan an.

Aufwand und Kosten

Aufstocken könne man prinzipiell jedes Haus, "egal wie baufällig es ist". Ob der Aufwand und die Kosten dafürstehen, ist freilich eine andere Frage. Stellt sich bei der Untersuchung des Bestands heraus, dass die Baustruktur nicht solide ist, stützen Zubauten wie Vormauern, neue Betondecken, Vorsatzschalen oder Stahlstützen den Bau. Christina und Roland haben Glück, sie können einfach aufstocken und sparen sich nervenaufreibende und kostspielige Zusatzarbeiten.

Auf eine bestimmte Bauweise haben sich die beiden noch nicht festgelegt. In der engeren Wahl stehen ein Holzfertigbauteil oder Ziegel. Für Ersteres spricht der nachwachsende Rohstoff Holz und dass die Leichtbauweise in wenigen Tagen aufgestellt wäre; für Letzteres spricht der Preis.

Ziegel sind schlicht günstiger. Auch Hosp verweist darauf, dass die Holzpreise exorbitant gestiegen sind. Häuslbauer "müssen sich häufig nach der Decke strecken".

Der reine Zubau kostet dann gleich viel wie ein Neubau, erklärt Hosp. Die Arbeiten seien dieselben. Auch hier müssen Estrich und Heizungsleitungen verlegt, Decken, Wand- und Glasflächen eingesetzt werden. Das unterste Preisniveau liege zwischen 2500 und 2800 Euro netto pro Quadratmeter.

Neben den finanziellen Vorteilen der Nachverdichtung spielt für Christina aber auch der ökologische Fußabdruck eine große Rolle. Auf die grüne Wiese wollte die 28-Jährige schlicht nicht bauen.

Preise fördern Verdichtung

Damit ist sie hierzulande in der Minderheit. Jährlich durchgeführte Studien belegen immer wieder: Zwei Drittel der Österreicher und Österreicherinnen träumen von Haus und Garten.

Trotzdem geht auch der Trend auf dem Land in Richtung Auf-, Aus- und Umbau. Das liege vor allem an den stetig steigenden Grundstücks- und Rohstoffpreisen, ist man sich beim Land Tirol sicher.

Um die Nachverdichtung interessanter zu gestalten, rät Raumplaner Kramar dazu, das klassische Instrumentarium des Flächenwidmungsplans zu nutzen. Sobald die Widmung erhöht wird, schafft man Anreize, ohne Zwang auszuüben, ist er überzeugt. Wenn die Grundstückseigentümerinnen höher bauen dürfen, sei es für sie auch wirtschaftlich rentabel, aufzustocken.

Vom tatsächlichen Anbau in die Höhe sind Christina und Roland aber noch weit entfernt. Die beiden verschaffen sich erst einmal Platz im Keller. (Julia Beirer, 19.2.2022)