Mini-Me-Syndrom heißt das Phänomen, Personen zu berufen, die einem ähnlich sind – das Gegenteil von divers.

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Vor einigen Jahren rutschte dem Personalchef eines deutschen Konzerns auf einem Personalistenkongress eine etwas zu ehrlich geratene Selbstoffenbarung heraus: "Wir bei der XXX AG müssen lernen, dass unsere Führungskräfte nicht mehr männlich und deutsch sein werden." Wie lange das her ist, kann man daran messen, dass sich die Entrüstung nur in einem Gemurmel entladen hat.

Heute würde der Kollege nach einem Empörungssturm auf allen Kommunikationskanälen seinen Hut nehmen, und das natürlich zu Recht. Aber hat sich seitdem wirklich so viel geändert, außer dass die Empörung lauter wäre?

Nicht einmal eine Dimension

Ein ehrlicher Blick in die österreichische Konzernlandschaft zeigt uns, dass schon der im Fokus stehende Anteil der Frauen in den Vorständen und Aufsichtsräten beschämend gering ist. Aber wo bleiben andere Diversitätskriterien wie Alter, Hautfarbe, Ethnizität, Behinderung, sexuelle Orientierung oder Religion?

Auf nahezu jeder Website einer größeren Organisation stehen die Lippenbekenntnisse zu Diversität und Inklusion, zusätzlich zur Corporate Responsibility und neuerdings besonders zu Sustainability. Aber abseits des Bekenntnismarketings – wie sieht es mit der Diversität in der unternehmerischen Praxis aus? Den informierten Leser:innen erspare ich eine detaillierte Anamnese, sie ist überwiegend vernichtend.

Aber warum ist das so ein großer Fehler? Abseits des für die Gesellschaft so wichtigen Ziels, für alle gleiche Chancen bereitzustellen, ist es auch eine simple ökonomische Abwägung:

  • Diversität nützt alle im Markt vorhandenen Ressourcen aus und erhöht somit die Chancen, die richtige Person mit der richtigen Aufgabe zu betrauen.
  • Diversität erhöht das kreative Potenzial, unterschiedliche Menschen bringen mehr Aspekte für eine Lösungsfindung ein.
  • Und Diversität stabilisiert Unternehmen. Weil nicht ähnlich "tickende" Menschen sich nicht vom Gleichen verführen lassen oder sich nicht vor der gleichen Sache zu Tod fürchten. Das ist in Krisenzeiten Gold wert.

Die andere Seite der Medaille ist, dass Diversität anstrengend ist. Andere Meinungen und Sichtweisen führen zu längeren Diskussionen. Diversität nimmt der Euphorie der Gleichgesinnten die Luft und bedeutet Rücksicht und Respekt in allen Lebenslagen des unternehmerischen Lebens. Die könnten wir in Zeiten von Impfdiskussionen doch schon mal üben, oder?

Wer ist zuständig?

Ist das ein Thema der obersten Führungsebene? Ja klar, Fisch und Kopf – Sie wissen schon. Aber noch reizvoller ist eine Untergrundbewegung der Ebenen darunter, einfach mit gutem Beispiel vorangehen, nicht empören, sondern mit viel Güte den anderen die Chance geben, sich zu überdenken.

Denn – ganz ehrlich – so eine moralische Empörung setzt dann doch auch hohe Standards für einen selbst. (Sören Buschmann, 31.1.2022)