René Benko musste dem Ibiza-Untersuchungsausschuss bereits Rede und Antwort stehen. Dessen Nachfolger, der ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss, ließ sich nun seine Nachrichten mit Thomas Schmid auswerten.

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"Von Freundschaft weit weg", mit diesen Worten hat der Unternehmer René Benko im Ibiza-U-Ausschuss seine Beziehung zum damaligen Chef der Staatsholding Öbag, Thomas Schmid, beschrieben. Dieser empfand das offenbar anders. "Bist echt ein Freund! Ohne deine Tipps und Unterstützung wäre das alles sehr schwer!", schrieb Schmid Benko nach einem gemeinsamen "genialen Abend" (Schmid) im Oktober 2018.

Das war aber nur eines von vielen Treffen, wie sich aus einer Auswertung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) für den ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss erhellt. Mindestens neunzehnmal trafen die beiden einander demnach in der Zeit zwischen November 2016 und September 2019. Mal in Benkos Büro, mal auf dessen Yacht, mal zum Frühstück, mal auf Drinks.

Warum diese Auswertung im U-Ausschuss gelandet ist und was sie mit dem Untersuchungsthema zu tun hat: Die Justiz musste auf Aufforderung der Oppositionsparteien sämtliche Chats mit Benko liefern, die auf dem sichergestellten Smartphone von Thomas Schmid zu finden und für das Thema zumindest "abstrakt relevant" waren.

Dabei geht es beispielsweise um René Benkos Unternehmen Signa und dessen Beziehung zur staatlichen Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), um das "Projekt Ballhausplatz", also Sebastian Kurz’ Übernahme von ÖVP-Obmannschaft und Kanzleramt, oder den Kauf der Möbelhauskette Kika/Leiner durch Signa im Juni 2018.

Schmid als "Generalbevollmächtigter"

Gemäß WKStA begannen Benko und Schmid im November 2016 miteinander zu chatten. Rasch dürfte es um die persönliche Karriere Schmids gegangen sein, der damals Generalsekretär und Kabinettschef im Finanzministerium war. "Die Rolle eines Generalbevollmächtigten bei uns im Konzern würde dir sicher gut liegen", schrieb Benko Anfang Dezember.

Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass Signa jemanden aus dem staatlichen Bereich ins Unternehmen geholt hätte: Christoph Stadlhuber war von 2003 bis 2011 Chef der staatlichen Immobiliengesellschaft BIG, seit damals arbeitet er in führender Position bei der Signa. Mit Stadlhuber wollte sich Schmid später, im April 2017, darüber unterhalten, "wie es ihm beim Wechsel in die Privatwirtschaft so erging".

Ob es "ok [sic]" sei, wenn er Stadlhuber danach frage, erkundigte sich Schmid damals bei Benko und teilte ihm dann auch den Termin mit, zu dem er ihn traf. Benko hatte er im Jänner zwanglos nach einem Termin – "wenn du mal Zeit hast" – gefragt, da sich "ja gerade einiges tut". Daraus schließt die WKStA, dass "rückblickend betrachtet (…) nicht auszuschließen ist, dass ein Treffen im Zusammenhang mit dem Projekt Ballhausplatz vor dem Hintergrund der händeringenden Spendenakquirierung der ‚neuen ÖVP‘ stattfinden könnte".

Und: "Da die ÖVP auf monetäre Mittel von der Partei wohlgesinnten Spendern angewiesen war, kann hier nicht ausgeschlossen werden, dass dies Thema zwischen Schmid und Benko war." Notabene: Es scheinen keine Spenden Benkos in offiziellen Angaben auf, er und die ÖVP erklären zudem seit jeher, dass der Unternehmer nie Spenden an sie geleistet habe.

Immer wieder traf man einander, mitunter war es "supergemütlich" und immer wieder "genial", wie Schmid befand. Auch digital stand man regelmäßig in Kontakt, ab Mai 2017 ging es dabei "höchstwahrscheinlich um steuer- oder abgabenrechtliche Themen", schreibt die WKStA. Jedenfalls forderte Schmid den Unternehmer auf, ihm seine "Verfügbarkeit für einen Termin mit Edi Müller" zu schicken, damals Sektionschef im Finanzministerium und Vizegeneralsekretär.

"Deine und unsere Leute"

Fünf Tage später unterbreitete Benko ein paar Terminvorschläge, fixiert wurde der 31. Mai in Benkos Büro. Tags darauf erbat Benko erfolgreich die E-Mail-Adresse des Beamten, "damit meine Steuerberater entsprechend Kontakt aufnehmen kann [sic]". Im Juli ließ dann Schmid Benko wissen, dass "deine und unsere Leute heute (ein, Anm.) gutes Treffen hatten". Näheres zu den Teilnehmern weiß man nicht, die WKStA stellt unter anderem die Vermutung in den Raum, es könnte um höhere Führungskräfte oder Steuerberater Benkos sowie Beamte des Ministeriums gegangen sein, die an "möglichst schonenden Steuerregelungen für Benko" gearbeitet hätten. Oder um ein Treffen mit ÖVP-Nahen, um Parteispenden zu besprechen und zu koordinieren (die es aber laut ÖVP und Benko nie gegeben habe).

Faksimilie/Standard

Mehr als ein Jahr später, am 9. September 2018, schrieb Schmid dann jedenfalls: "Lieber Rene (…) In deiner Sache ist alles auf Schiene!" Dessen Sachverhaltsdarstellung habe ihm "dabei sehr geholfen!!!!". Worum es dabei ging, will die Signa auf Anfrage nicht beantworten. "Wir wissen nicht, welche Nachrichten Ihnen angeblich vorliegen und ob diese authentisch sind", außerdem wolle man einer Befragung durch den U-Ausschuss nicht vorgreifen. Prinzipiell gelte, dass Signa eines der größten österreichischen Unternehmen und ein großer Arbeitgeber und "selbstverständlich immer wieder in Kontakt und Austausch mit Vertreterinnen und Vertretern von Politik, Wirtschaft und öffentlicher Hand" sei.

"Coole Sache Rene!!!"

Kontakt und Austausch gab es auch rund um andere Themen: Die "neue ÖVP" unter Sebastian Kurz hatte im Herbst 2017 die Nationalratswahl gewonnen. Im Amt war die türkis-blaue Regierung freilich ohne Ministeramt für Benko. War das im Gespräch? Ein Chat deutet darauf hin – Schmid während der Koalitionsverhandlungen an den Unternehmer: "Finanzminister Benko. Wäre schön [sic] sehr cool!" Gerüchtehalber wollte Benko das Winterpalais kaufen, das dem Finanzministerium gehört. Auch dazu gibt es keine Stellungnahme. Schmid soll einen Auszug der Finanz nicht goutiert haben. In einer Nachricht an Kurz, aus der Österreich zitierte, schrieb er: "Sebastian! Emergency. Hartwig (Löger, Anm.) und Rene spinnen!" Man könne doch nicht "das Winterpalais gegen die Postsparkasse tauschen!!". Letztere gehört bekanntlich Benkos Signa.

Auch in Benkos Firmenreich tat sich einiges: Im Sommer 2018 übernahm er in einer dramatischen Rettungsaktion die Möbelkette Kika/Leiner. Zu dieser Zeit schrieb ihm Schmid: "Coole Sache Rene!!! Haben Stadlhuber so gut es ging zugearbeitet (...)." Schmid soll während der Übernahmeverhandlungen im Hintergrund mitgearbeitet haben, obwohl er eigentlich im Urlaub auf dem Berg Athos in Griechenland weilte. Er soll gebeten worden sein, "Fristenläufe im Bundesrechenzentrum" zu verzögern, hieß es damals im Wirtschaftsmagazin Trend. In der Chatauswertung zwischen Benko und Schmid findet sich dazu jedoch gar nichts, eine Einmischung wurde von Schmid, Signa und dem Bundesrechenzentrum auch bestritten. Der Kontakt riss jedenfalls auch nicht ab, nachdem Schmid am 1. April 2019 sein großes Ziel erreicht hatte, den Chefposten bei der Staatsholding Öbag. Benko kurz zuvor: "Gratulation dem neuen ÖBAG Chef". Schmids Antwort: "Danke Dir für alles Rene!" (Fabian Schmid, Renate Graber, 30.1.2022)