Foto: EPA/Sedat Suna

Am Donnerstag schloss sich auch noch Indien an. Kurzfristig fiel in Delhi die Entscheidung, den obersten diplomatischen Vertreter in China nicht zu der Eröffnung der Olympischen Spiele zu schicken. Denn China hat in den Augen Indiens eine rote Linie überschritten. Einer der Träger der olympischen Fackel war Qi Fabao. Der Soldat der Volksbefreiungsarmee war vor rund eineinhalb Jahren an der indisch-chinesischen Grenze in Ladakh in ein gewalttätiges Scharmützel verwickelt. 20 indische Soldaten starben bei der blutigsten Auseinandersetzung zwischen den zwei Ländern seit Jahrzehnten. Wie viele chinesische Soldaten betroffen waren, ist bis heute nicht klar. Qi Fabao war jedenfalls einer der Soldaten, die verwundet wurden.

"Es ist sehr bedauerlich, dass die chinesische Seite sich dazu entschlossen hat, Olympia so zu politisieren", begründete ein Sprecher des indischen Außenministeriums die Entscheidung. Peking wies die Vorwürfe zurück, man habe sich an die Selektionskriterien für die Fackelläufer gehalten, hielt ein Sprecher des chinesischen Organisationskomitees fest.

Indien steht mit dem Schritt aber nicht alleine da. Während Russland durch die Anreise von Präsident Wladimir Putin Peking demonstrativ die Stange hält, hatten bereits im Vorfeld der umstrittenen Spiele viele Länder den diplomatischen Boykott angekündigt. Darunter finden sich zum Beispiel die USA, Kanada, Großbritannien, Neuseeland und Australien.

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USA schritten voran

Die USA hatten sich bereits Anfang Dezember zu einem solchen Schritt entschlossen. Eine Sprecherin des Weißen Hauses begründete die Entscheidung damals mit dem "Genozid" in der Region Xinjiang und weiteren Menschenrechtsverletzungen. Auch die anderen Länder, die in den folgenden Wochen nachgezogen waren, begründeten ihr Handeln mit Menschenrechtsbedenken und der Corona-Politik im Land.

Auch Chinas Nachbar Japan schickt keine politischen Vertreter, wie das Land kurz vor dem Jahreswechsel bekanntgegeben hat. Sehr wohl würden aber Vertreter des japanischen Ablegers des IOC, also des Internationalen Olympischen Komitees, anreisen.

Mit der indischen Entscheidung zieht die "Quad" nun wieder an einem gemeinsamen Strang. Das lose Bündnis zwischen den Demokratien USA, Japan, Australien und Indien ist unter der Administration Joe Bidens wieder enger zusammengerückt, um ein Gegengewicht zum wachsenden Einfluss Chinas im Indopazifik darzustellen.

Weicher Boykott aus Deutschland

Ein Land, das sich ähnlich wie Japan in "softem Boykott" übt, ist Deutschland. Während Angela Merkel einen relativ freundlichen China-Kurs gefahren ist, schlägt die Regierung von Olaf Scholz nun eine härtere Gangart ein. Außenministerin Annalena Baerbock sagte diese Woche in einem Interview, dass sie den deutschen Sportlern und Sportlerinnen die Daumen drücken würde. "Gleichzeitig mache ich mir natürlich große Sorgen über die Lage der Menschenrechte in China, das kann ein solches Sportfest nicht überdecken." Weder sie noch Innenministerin Faeser reisen zu den Spielen an. Zum ZDF sagte der deutsche Bundeskanzler Scholz: "Ich habe keine Reisepläne."

Von diplomatischem Boykott wollte aber niemand sprechen. Die Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte im Bundestag, Renata Alt (FDP), hätte sich genau so einen gewünscht. In der Vergabe der Spiele an Peking sieht sie einen "Fehler", denn die Hoffnung auf unpolitische Spiele sei unrealistisch. China habe sich seit 2008, als Peking die Sommerspiele ausrichtete, "in eine ganz andere Richtung entwickelt. Von Öffnung keine Spur mehr. Alleine die lückenlose Überwachung der Sportler und der Journalisten zeigt, mit welchem Regime wir es zu tun haben."

Auch aus Österreich werden keine hochrangigen Vertreter nach Peking reisen. Aber Außenminister Alexander Schallenberg hatte bereits im Dezember vor einer "künstlichen Politisierung" der Spiele gewarnt. Auch Sportminister Werner Kogler wird aufgrund der Menschenrechtssituation nicht nach Peking reisen, ein diplomatischer Boykott sei das aber nicht. In Europa haben sich außerdem die Niederlande und Dänemark dem politischen Boykott angeschlossen.

NGOs protestieren

Viele NGOs und Menschenrechtsaktivisten haben im Vorfeld einen breiten Boykott der Spiele gefordert. Tibeter-Vereinigungen und Uiguren-Vereine protestierten am Freitag vor dem Hauptquartier des IOC in London. Andere wortstarke Kritiker des kommunistischen Regimes in China, wie etwa der Künstler Ai Wei Wei, bezeichneten einen Boykott jüngst wiederum als "sinnlos". China sei mittlerweile so selbstbewusst, dass es "keine Angst" vor dem Boykott habe und deswegen auch keine Schwäche zeigen werde, sagte Ai Wei Wei. Es sei eine "oberflächliche Geste". (red, 4.2.2022)