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Viele Skandale wären ohne Whistleblowerinnen wie Frances Haugen (Facebook) nie aufgedeckt worden. Künftig werden sie in der Europäischen Union besser geschützt.

Foto: AP / Virginia Mayo

Die Umsetzungsfrist ist kurz vor Weihnachten abgelaufen, dennoch steht die österreichische Umsetzung der Hinweisgeber-Richtlinie (EU 2019/1973) aus. Diese "Whistleblower-Richtlinie" stellt Personen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit Verstöße gegen das Unionsrecht – etwa Umweltschutz, öffentliche Gesundheit, Lebensmittelsicherheit, Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, Datenschutz etc. – melden, unter Schutz vor Repressalien. Gleichzeitig werden private Unternehmen und öffentliche Einrichtungen verpflichtet, interne Kanäle und Verfahren für diese Meldungen einzurichten. Zudem müssen die Mitgliedsstaaten eine zuständige Behörde benennen, die als externer Meldekanal dienen kann.

Immer noch gibt es zwischen den Regierungsparteien einen hohen Gesprächsbedarf. Fix ist jedenfalls: Die Verpflichtung zur Einrichtung von Meldekanälen für Hinweisgeber wird – wenn auch mit bestimmten Übergangsfristen – mit Sicherheit kommen.

Bedrohung durch Öffentlichkeit

Ein heftig diskutierter Punkt ist die Frage, ob Unternehmen, die diese Verpflichtung missachten, bestraft werden sollen. Dabei sollte jedoch nicht übersehen werden, dass ihnen bei nicht ordnungsgemäßer Einrichtung von internen Meldekanälen und Verfahren zur Behandlung von Hinweisen weitaus bedrohlichere Konsequenzen drohen. Denn ohne eine solche Einrichtung kann sich die Hinweisgeberin – zumeist ein Arbeitnehmer – an die Behörde und in weiterer Folge an die Öffentlichkeit wenden. Über die Presse oder Social-Media-Plattformen können Verstöße dann öffentlich zugänglich werden. Bei einer gerechtfertigten Veröffentlichung genießen Hinweisgeber einen Schutz vor Repressalien, insbesondere vor einer Kündigung oder Versetzung.

Dazu kommt, dass nach dem Wortlaut der Richtlinie Hinweisgeber, die bei einer solchen Meldung eine Offenlegungsbeschränkung verletzen, dafür nicht haftbar gemacht werden können, sofern sie hinreichenden Grund zur Annahme hatten, dass die Offenlegung notwendig war, um einen Verstoß zu melden. Das gilt für Verletzungen von Geheimhaltungspflichten und Urheberrechten, Verstöße gegen Datenschutzbestimmungen und Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen. Auch Schadenersatzansprüche können gegen einen zur Offenlegung berechtigten Hinweisgeber nicht geltend gemacht werden.

Risiko mindern

Private und öffentliche Unternehmen sind daher gut beraten, sich der Einrichtung eines internen Meldekanals und der Behandlung der Hinweise mit ausreichender Sorgfalt zu widmen. Die Meldung eines Verstoßes über einen internen Kanal sichert, dass die Informationen und Geschäftsgeheimnisse intern bleiben. Der Adressat des Hinweises ist in diesem Fall eine unabhängige Compliance-Verantwortliche oder eine mit der Abwicklung des Meldesystems beauftragte Dritte.

Somit kann das Unternehmen das Risiko einer Meldung an die Behörde und die Veröffentlichung weitgehend mindern und mögliche Schäden seiner Reputation und die Verletzung von Geschäftsgeheimnissen und Geheimhaltungspflichten verhindern. Sollte dennoch ohne besonderen Grund ein Verstoß veröffentlicht werden, so sind Hinweisgeber nicht vor Repressalien geschützt; es kann gegen sie auch arbeitsrechtlich vorgegangen werden. Ein solcher Grund für eine direkte Offenlegung wäre etwa, wenn der Verstoß eine unmittelbare oder offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses darstellt.

Selbst wenn Hinweisgeber zu einer externen Meldung an die Behörde berechtigt sind, zeigen empirische Studien, dass diese mehrheitlich zu einer internen Meldung innerhalb der Organisation neigen. Funktionierende interne Meldekanäle wirken daher auch prophylaktisch gegen eine unerwünschte Involvierung der Behörden oder der Öffentlichkeit. Zudem dienen sie für die Geschäftsleitung als wichtige Informationsquelle für verdeckte Missstände im Unternehmen und können daher einen wichtigen Beitrag zum Management von operativen Risiken leisten.

Vertrauen ist entscheidend

Dafür müssen Arbeitnehmer in die sorgfältige Behandlung von Hinweisen vertrauen. Potenzielle Whistleblower müssen sich darauf verlassen können, dass ihre Meldungen vertraulich behandelt und professionell weiterverfolgt werden. Die Meldungen müssen sorgfältig aufgearbeitet und die richtigen Folgemaßnahmen ergriffen werden. Wesentlich ist die Unabhängigkeit und Vertrauenswürdigkeit der zuständigen Person, allenfalls der dazu beauftragten Dritten. (Roman Hager, 7.2.2022)