Am Dienstag präsentierten Innenminister Karner, Justizministerin Zadić und Frauenministerin Raab eine neue App.

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Am Dienstag stellten mehrere Ministerien eine Neuheit im Bereich des Gewaltschutzes gegen Frauen vor: eine App, mit der Frauen in Notlagen unbemerkt einen Notruf absetzen können. Noch bevor das Projekt an den Start geht, erntet es Kritik von Frauenschutzorganisationen. Und: Eigentlich gab es so etwas Ähnliches schon einmal – die Fem:Help-App wurde allerdings 2019 vom Frauenministerium eingestellt.

Zwar gab es damals bei der 2014 von SPÖ-Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek präsentierten App keine Möglichkeit, still – also per Fingertipp und nicht per Anruf – die Polizei zu rufen. Das sei aber nicht unbedingt ein Nachteil, meint Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin der Autonomen Frauenhäuser Österreich. Denn: "Wenn Frauen sich (so wie bei der neuen App, Anm.) bei der Polizei registrieren müssen, dann ist das sehr problematisch", sagt sie. Viele Frauen hätten nicht genug Vertrauen, um ihre Daten herzugeben. "Gerade Migrantinnen sind da sehr vorsichtig."

App könnte entdeckt werden

Nun könnte es für die eine Frau hilfreich sein, einen stillen Notruf abzusetzen – einer anderen wiederum könnte es dagegen Sicherheit bieten, wenn sie auf einen Klick Helplines und Polizeianruf parat hat. Macht es Sinn, beides in einer App zu integrieren? Auch da ist Rösslhumer skeptisch. "Ich bin nicht mehr so überzeugt von Apps", sagt sie, "weil sie kontraproduktiv sein können." Wenn ein Mann das Handy seiner Frau kontrolliert und eine App entdeckt, könnte das die Situation eskalieren lassen.

So oder so, sagt Rösslhummer, müsse man aber bei allen Unterstützungsangeboten auch Geld in die Hand nehmen, um sie zu bewerben: "Die Fem:Help-App war nirgendwo bekannt." 2019 – da war das Frauenministerium mittlerweile in ÖVP-Hand – wurde jedenfalls publik, dass die App nicht mehr weiterbetrieben wird. Heute führt die entsprechende Unterseite der Bundeskanzleramts-Website nur noch zu einer Fehlermeldung.

Im Innenministerium betont man auf die Frage, warum es nun eine neuerliche App brauche, erstens, dass eben der Vorteil sei, dass die Polizei per Fingertipp kontaktiert werden könne. Und zweitens, dass man gar keine neue App baue, sondern die gestern angekündigten Funktionen in eine bestehende App für Gehörlose integriere. Man könne sich aber vorstellen, irgendwann eine eigenständige App zu bauen und werde bis dahin auch in Kontakt mit den Frauenhilfsorganisationen treten.

Vertrauen in die Polizei fehlt

Denn der Kritik am neuen Projekt schloss sich am Mittwochmorgen auch Klaudia Frieben vom Frauenring an: Im Interview mit Ö1 sagte auch sie, dass die Voraussetzung, dass man die eigene Adresse angeben müsse, viele "abschrecken" könnte. Die Erfahrung habe gezeigt, "dass Frauen gerne lieber vorerst anonym bleiben wollen". Ganz abgesehen davon fehle in vielen Fällen das Vertrauen in die Polizei. In den Augen Friebens spiele bei dem Projekt wohl auch so etwas wie Showpolitik mit: "Man macht jetzt eine App, und dann entsteht der Eindruck, dass einzelne Maßnahmen gesetzt werden."

Wobei: Das merkten auch die Regierungsvertreterinnen und -vertreter bei der Präsentation an. Justizministerin Alma Zadić (Grüne) etwa sagte: "Wenn es um Gewalt gegen Frauen geht, können wir leider nicht an einer einzelnen großen Schraube drehen, um unser Ziel zu erreichen." Vielmehr gehe es darum, "viele kleine Schritte" zu setzen. Dazu zählt im präsentierten Gewaltschutzpaket etwa auch ein Ausbau der verpflichtenden Täterarbeit, eine Aufstockung der finanziellen Mittel für einzelne Stellen und dass die Beweisaufnahme verbessert werden solle, damit die Verurteilungsquote bei Taten im Bereich der häuslichen Gewalt steigt. (Gabriele Scherndl, 9.2.2022)