Etwa 75 Prozent der Gesamtbevölkerung Österreichs haben den Erststich, rund die Hälfte ist schon geboostert.

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Die Länder murren ob der Impfpflicht. Und zwar unabhängig von ihrer Couleur. Da ist etwa Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP), er stellt in die Notwendigkeit von automatischen Strafen infrage. Oder der Kärntner Landeschef Peter Kaiser (SPÖ), der sich dafür ausspricht, dass das Gesetz ständig auf dessen Verhältnismäßigkeit hin überprüft – und damit schlicht eingehalten – wird. In eine ähnliche Kerbe schlägt der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP): Er meint, vor dem 15. März solle evaluiert werden, ob die Impfpflicht noch taugt. Im roten Burgenland wiederum spricht Hans Peter Doskozil von einer "Sackgasse".

Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP), der aktuelle Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz, wollte sich am Donnerstag noch nicht konkret äußern. Und dann gibt es da noch Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker, SPÖ. Der kommentiert all das so: "Ich glaube nicht, dass wir dem Hobby frönen sollten, ständig alles zu hinterfragen, was wir gerade entschieden haben."

Nur: Was bedeutet all das? Könnte die Impfpflicht doch noch gekippt werden, nachdem sie in einer monatelangen Phase von ranghohen politischen Vertretern eigentlich ausgeschlossen und dann doch angekündigt wurde, nachdem sie adaptiert und abgeschwächt wurde, dann aber von National- und Bundesrat mehrstimmig beschlossen wurde?

Der Kern der Antwort liegt in einer Kommission, die es so momentan noch gar nicht gibt. Sie wird im Bundeskanzleramt angesiedelt sein und alle drei Monate überprüfen, ob denn die Impfpflicht noch dazu geeignet ist, die Überlastung der medizinischen Versorgung zu verhindern. Wobei dem Wort "verhindern" wohl besondere Bedeutung zukommt: Es verdeutlicht, dass das Gesetz nicht nur dazu da ist, eine Akutlage zu entschärfen, sondern dafür, dass diese Akutlage gar nicht erst eintritt. In den nächsten Tagen oder Wochen soll diese Kommission eingesetzt werden. Wann sie eine erste Entscheidung trifft, steht noch nicht fest. Im Gesetz ist angeführt, dass das alle drei Monate passieren muss, also spätestens im Mai. Im Fall einer "grundlegenden Änderung jener Umstände", die für das Gesetz maßgeblich waren, muss die Kommission "unverzüglich" zusammenkommen. Auch, wer ihr angehört, ist unklar. Aus dem Bundeskanzleramt heißt es: "Sie wird aus Expert/innen von Gecko bestehen, die Juristen hinzuziehen."

Szenario eins: Die Impfpflicht wird abgeblasen

Angenommen, die Kommission kommt vor Mitte März, also bevor gestraft wird, zusammen und stellt fest: Es braucht sie nicht. Dann müsste der Gesundheitsminister eine Verordnung erlassen, die die Impfpflicht ganz oder teilweise aussetzt. Das würde allerdings nicht ihr komplettes Aus bedeuten, er kann das auch vorübergehend veranlassen.

Dass die Kommission sich vor März trifft, ist nicht sicher. Sie muss nur dann zusammenkommen, wenn sich die ursächlichen Umstände für das Gesetz ändern – unabhängig von den Strafen, die ab 16. März fällig werden. Übrigens: Der Gesundheitsminister muss, auch ohne Kommissionsempfehlung, die Impfpflicht "unverzüglich" abblasen, wenn sich der Stand der Wissenschaft wesentlich ändert.

Szenarion zwei: Der Plan hält

Kommt die Kommission zu dem Schluss, dass die Impfpflicht nach wie vor angemessen ist (oder tritt sie vor Mitte März gar nicht zusammen), dann nimmt das Gesetz seinen Lauf. Das beutet: Ab 16. März läuft jede ungeimpfte Person Gefahr, bei einer Amtshandlung der Polizei auf ihren Impfstatus hin überprüft zu werden. Der Strafrahmen liegt dann im verkürzten Verfahren bei bis zu 600 Euro, kann aber auch bis zu 3600 Euro gehen. Zu einem unbestimmten Zeitpunkt kann dann automatisiert und nicht mehr stichprobenartig gestraft werden.

Geht es nach der grünen Klubchefin Sigrid Maurer, dann wäre Szenario zwei die Realität. "Ich würde sagen: Füße still halten, ruhig Blut", der Zeitplan sei "genau so, wie er sein soll, wie er geplant war", sagte sie am Donnerstag – wobei sie betonte, dass sie wissenschaftlichen Entscheidungen nicht vorgreifen wolle. Ähnlich argumentiert man im Gesundheitsministerium, wo man die Impfpflicht als das "beste Werkzeug, das wir in der Hand haben", sieht. Die ÖVP-Regierungsseite verhält sich dazu eher ruhig, man habe Maurer nichts hinzuzufügen, heißt es aus dem Kanzleramt.

Szenario drei: Die Lage eskaliert

Die höchste Eskalationsstufe der Impfpflicht ist die Phase drei, also jene, in der Impf- und Melderegister abgeglichen werden und wirklich jede Person, die unzulässigerweise nicht geimpft ist, gestraft wird. Diese Phase muss die Bundesregierung einleiten und muss sich dabei auch an der epidemiologischen Lage orientieren. Eine Rolle spielen auch die Durchimpfungsrate und die personelle Ausstattung der Verwaltungsgerichte (auf die damit ein Berg Arbeit zukommt) und der Polizei (für die das in Phase zwei gilt).

Nur: Diese Phase ist auch von der Technik abhängig. Die Elga kündigte an, dass sie die technischen Grundlagen dafür frühestens im April liefern könnte. Die Regierung betonte in der Vergangenheit, dass sie hoffe, dass es diese Phase nie brauchen werde. (Gabriele Scherndl, 10.2.2022)