Die Reißleine hat Fed-Chef Jerome Powell bereits Ende Jänner gezogen. Die einflussreichste Notenbank der Welt wird heuer mehrmals den Schlüsselzins anheben. Ein erster Schritt im März gilt als ausgemacht. Die meisten rechnen mit einem Schritt von einem Viertelprozentpunkt. Auch eine doppelt so starke Anhebung schließen viele nicht mehr aus. Powell hatte die Finanzmärkte seit Herbst auf die bevorstehende Trendwende in der Geldpolitik eingestimmt.

Die Kraft des neuen Inflationsschubs könnte eine schärfere Gangart erfordern: Die Inflation ist im Jänner auf 7,5 Prozent hochgeschnellt. Experten hatten mit 7,3 Prozent gerechnet. Der Preisanstieg in der größten Volkswirtschaft der Welt hat sich mit rasantem Tempo beschleunigt. Die Kernrate ohne die stark schwankenden Preise für Lebensmittel und Energie zog auf 5,9 Prozent an.

An den Tankstellen spüren die Verbraucher in den USA wie in Europa den Preisanstieg ganz besonders.
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Auch in Europa steigt der Druck. Die EU-Kommission erwartet in ihrer aktuellen Konjunkturprognose eine weit höhere Teuerungsrate als noch im Herbst prognostiziert: Sie soll auf 3,5 Prozent klettern und damit weit über die rote Linie der Europäischen Zentralbank von 2,0 Prozent hinausschießen. Im Herbst war die Kommission noch zuversichtlicher und ging von einer Inflationsrate von 2,2 Prozent aus.

Dass diese Einschätzung kaum halten wird, hat allerdings selbst die EZB eingesehen. Wichtig war nach der Ratssitzung vor einer Woche, was nicht ausgesprochen wurde: Christine Lagarde verzichtete auf ihre in den Monaten davor mantraartig vorgetragene Aussage, dass eine Zinserhöhung 2022 sehr unwahrscheinlich sei.

Erinnerungen werden wach

In den USA ist die Inflation mit über sieben Prozent fast viermal höher als das ausgewiesene Ziel der Fed. Die Gründe sind teilweise mit jenen in Europa vergleichbar: steigende Energiepreise sowie Corona-bedingte Lieferengpässe. Wobei in den USA insbesondere Engpässe von Computerchips für die so wichtige Technologiebranche wohl schwerer wiegen als in Europa. Die US-Notenbank erinnert auf ihrer Homepage an die wirtschaftlich schwierigen Zeiten der 1970er und 1980er.

Während der sogenannten Great Inflation erreichte die Teuerungsrate in den USA mehr als 14 Prozent. Wirtschaftswissenschafter Jeremy Siegel beschrieb die Periode 1994 rückblickend als "das größte Versagen der amerikanischen makroökonomischen Politik in der Nachkriegszeit". Dass zukünftig so hohe Inflationswerte erreicht werden könnten, ist ob der erwarteten Zinswende der US-Notenbank Fed unwahrscheinlich. US-Notenbankchef Jerome Powell will neben der Anhebung der Leitzinsen im März auch die konjunkturstützenden Corona-Anleihenkäufe auslaufen lassen.

Die US-Notenbank hat angesichts der hohen Inflation bereits die Zinswende eingeläutet.
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Sorgen, dass die Zinswende die Konjunktur zu stark dämpfen und zu einer unerwünschten Rezession führen könne, teilt Seema Shah, Chefstrategin des US-Vermögensverwalters Principal Global Investor, jüngst im "Handelsblatt" nicht: "Das Wachstum in den USA hat wahrscheinlich seinen Höhepunkt erreicht, eine Rezession ist nicht zu erwarten", zeigt sie sich zuversichtlich.

EZB unter Druck

Auch in der Eurozone ist die Inflation hoch – im Jänner lag die Teuerung im Vergleich zum Vorjahresmonat bei 5,1 Prozent – und damit deutlich über dem EZB- Ziel von zwei Prozent. EU-Kommissar Paolo Gentiloni rechnet mit dem Nachlassen von Lieferengpässen und nur noch moderat steigenden Energiepreisen nicht vor dem Herbst. Sorgen, dass die hohe Inflation die Konjunktur abwürgen könnte, hat indes auch die EU-Kommission nicht. Treffen die Erwartungen der EU-Auguren ein, springt die Konjunktur der Eurozone ab dem Frühjahr an. Die Wirtschaftsleistung (BIP) soll heuer demnach um 4,0 Prozent zulegen.

Die Brüsseler Behörde senkte zwar ihre Prognose für das laufende Jahr von 4,3 auf 4,0 Prozent, hob sie aber für 2023 von 2,4 auf 2,7 Prozent an. Für Österreich rechnet die Brüsseler Behörde mit 4,3 Prozent Wachstum. Die heimische Wirtschaftsleistung wird demnach nicht so stark steigen wie im Herbst angenommen. Dafür ist das Ausgangsniveau höher: Brüssel nimmt nun für 2021 ein Wachstum von 4,7 Prozent an. Die Erholung von der Corona-Krise verläuft in Österreich jedenfalls deutlich schleppender als in vielen anderen EU-Staaten. Agenda-Austria-Ökonom Marcell Göttert führt Österreichs Abhängigkeit vom Tourismus ins Treffen. Und er mahnt, das Management der Corona-Krise sei zu verbessern. (rebu, vol, 10.2.2022)

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