Die schiere Tatsache, dass bei den Wiener Atomverhandlungen ein "Entwurf" auf dem Tisch liegt und damit eine "finale" Phase erreicht ist, hat den Optimismus, dass der Atomdeal von 2015 zu retten ist, wiederbelebt. Für den russischen Chefverhandler steht man gar "fünf Minuten" vor einem Durchbruch. Und die am Freitag breit zitierte Äußerung von Präsident Ebrahim Raisi, dass er "nie Vertrauen in Wien" – und New York – gehabt habe, darf man durchaus in ihrem Kontext als Nationalfeiertagsrede lesen: Das iranische Regime vertraut auf "sein" Volk und nicht aufs Ausland. Dass das Atomabkommen nicht zu den Prioritäten der neuen Regierung gehört, konnte man sofort nach deren Amtsantritt hören. In die Verhandlungen ist sie trotzdem gegangen und hat sich seitdem auch ordentlich bewegt.

Die Ablaufzeiten des Atomabkommens sind näher gerückt.
Foto: AFP PHOTO/EU DELEGATION IN VIENNA/EEAS

Der Weg mag kurz sein, die Stolpersteine auf diesem sind jedoch ordentliche Brocken. Wie Kompromisse zu bestimmten, im Grunde nicht erfüllbaren iranischen Forderungen aussehen könnten – etwa jener nach Garantien, dass die USA unter einem neuen Präsidenten nicht wieder aussteigen –, wissen einstweilen nur die engsten Verhandler.

Aber auch wenn sich Teheran in Person des geistlichen Führers Ali Khamenei zu einem Deal durchringt, wird für die USA und die westlichen Verhandler die bittere Erkenntnis bleiben, dass der Schaden, den Donald Trump durch seinen Austritt 2018 verursacht hat, nicht mehr gutzumachen ist. Die Ablaufzeiten des Atomabkommens sind näher gerückt, die Fristen kürzer, der Iran ist technologisch viel weiter. Erworbenes Wissen kann man nicht auslöschen. Genau wie der originale Atomdeal selbst ist nun seine Wiederherstellung eine Ad-hoc-Lösung für ein akutes Problem: den Iran von der Schwelle wegzubringen, genügend Material für eine Atombombe anzusammeln. Nicht mehr und nicht weniger. Die andere Option heißt Krieg. (Gudrun Harrer, 11.2.2022)