Rana "Fauna" Farahani liefert die elektrisierende Musik zur Hispanisierung des hellenischen Schlachtgeheuls.

Foto: Hanna Fasching

Für die antiken Griechen klang nicht nur das Kriegsgeschrei selbst wie "Alala", so hieß auch dessen Personifikation. Alala war der Name einer dämonischen Tochter des Polemos, Begleiter von Kriegsgott Ares. Polemos galt als Verkörperung des Krieges.

Für ihr Tanz- und Stimm-Solo "Alalazo", das am Freitag im Brut Theater uraufgeführt wurde, gestattet sich die Wiener Choreografin Veza Fernández (36) eine kleine Hispanisierung des hellenischen Schlachtgeheuls. Und für den griffigen Stücktitel lässt sie das Wort mit seiner Nebenbedeutung "jubeln" kollidieren.

Man kann’s kaum erwarten

Passend zur Premiere hat sich Fernández ein schnittiges Kostüm aus langem Hosenrock und bauchfreiem Top schneidern lassen und sitzt bereits während des Publikumseinlasses mit entrücktem Gesichtsausdruck in einem weiten Kreis, über den vier fette Lautsprecherboxen gehängt sind. Im Programm sind ein "Cry of Liberation" als "Sound Experience" und eine "Ecstatic Symphony" angekündigt. Man kann’s kaum erwarten.

Die Tänzerin lässt es langsam angehen. Fließende Armgesten im Knien, Körperdrehungen zum eingangs dezenten Sound von Clubmusikerin und DJ Rana "Fauna" Farahani, der bald zu energischer Keyboard-Gischt in sonorem Klangstrom anschwillt. Darin schwimmt Fernández’ Stimme, teilweise wahrnehmbar, unruhig umher.

Weit entfernt von Ekstase

Schon zu Beginn also zeichnet sich ein Charakteristikum ab, das die gesamte Aufführung bestimmen wird: Die – unverstärkte – Stimmarbeit der Tänzerin kommt gegen Farahanis souveräne elektronische Musik nicht an, säuft oft ab und wirkt auch in jenen Momenten, in denen ihr Oberwasser gegönnt ist, ungewollt flach und fragil.

Überhaupt scheint Veza Fernández als Performerin während ihrer rund einstündigen Anstrengung nicht richtig in Fahrt zu kommen und immer wieder die Orientierung zu verlieren. Verglichen etwa mit den tatsächlich ekstatischen, Black-Metal-getriebenen Stimm- und Körperausbrüchen der isländischen Tänzerin Erna Ómarsdóttir bleibt Fernández’ akustischer Auftritt bedrückend farblos.

Auch ihr Bewegungseinsatz hält sich weit entfernt von ekstatischer Energie, erinnert eher an das Pathos der "Lamentation" von 1930 der US-amerikanischen Modernen Martha Graham (1894-1991), ohne allerdings an die expressive Klasse dieses Werks heranzureichen. Geht Veza Fernández hier nicht nur als Stimmkünstlerin unter, sondern auch als Tänzerin?

Methodisch queerer Abgesang

Natürlich könnte, was hier verunglückt wirkt, ebensogut volle Absicht sein – sowohl Fernández’ von der Musik absorbierter "Befreiungsschrei" als auch die schwach vorgeführte Ekstase oder die fade Tanzimprovisation.

Dann wäre "Alalazo" weniger ein künstlerischer Bauchfleck, sondern eher der methodisch queere Abgesang einer in mythologischem Sinn Anti-Alala auf Stücke ankündigende Titel oder Schlagwörter. Das Publikum kann sich’s aussuchen. (Helmut Ploebst, 12.2.2022)