Verfassungsministerin Karoline Edstadler beklagt intensiven Widerstand bei ihren Bemühungen für die Abschaffung des Amtsgeheimnisses.

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Offiziell ist niemand dagegen – und dennoch hat Österreich nach wie vor kein Grundrecht auf Information. Noch immer steht das Amtsgeheimnis in der Verfassung. Gerade, wenn eine Regierungspartei von Korruptionsskandalen gebeutelt ist, würden sich viele Bürgerinnen und Bürger wohl eine Transparenzoffensive erwarten. Doch Fakt ist: Der türkis-grüne Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz liegt seit einem Jahr herum. Und wahrscheinlich ist: Es wird wohl auch diesen Entwurf das Schicksal seiner Vorgänger ereilen – bis zum Ende der Legislaturperiode unbeschlossen zu bleiben.

Und das, obwohl die Regierungsparteien ÖVP und Grüne den Paradigmenwechsel schon im Regierungsprogramm detailreich ausverhandelt haben und in sehr zähen Gesprächen mit etlichen Beteiligten zu einer Einigung gekommen sind: Anstelle des Amtsgeheimnisses soll ein Grundrecht auf Information treten (siehe Wissen).

Grüne Offensive

Zuletzt mahnte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) die Umsetzung vehement ein, als seine Partei wegen der geheimen Absprachen mit dem Koalitionspartner unter Druck stand. Auch die zuständige Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) drängt auf eine Umsetzung. Doch laut der türkisen Ministerin treten zwar alle öffentlich für Transparenz ein, sie selbst wollten aber nicht davon umfasst sein: Zur APA sagte Edtstadler, sie könne sich auf den Kopf stellen, "wenn alle rundherum sagen, sie wollen das Gesetz nicht". Das bekräftigte Edtstadler auch im Ö1-Morgenjournal am Dienstag.

Widerstände gegen die Abschaffung des Amtsgeheimnisses kommen vor allem von Gemeinden, Städten und Bundesländern. Sie fürchten einen hohen Verwaltungsaufwand durch häufigere Anfragen und schwierige juristische Abwägungen zwischen dem Recht auf Information und dem Recht auf Datenschutz.

Zu Änderungen bereit

Auf STANDARD-Anfrage erklärt eine Sprecherin Edtstadlers, dass der Regierung "ein ausbalancierter Entwurf" gelungen sei. Tatsächlich ist der Text nicht so radikal, wie er sein könnte: Die Fristen für Behörden sind vergleichsweise großzügig, genauso die Ausnahmen von der Informationspflicht. Eine eigene Stelle für Anfragen nach dem neuen Gesetz ist ebenfalls nicht vorgesehen, was die Hürde für Einsprüche erheblich erhöht. Edtstadler zeigt sich jedenfalls für weitere Verhandlungen bereit, Änderungen sind laut ihrem Büro nicht ausgeschlossen.

De facto brauchen die Regierungsparteien für den Beschluss nur die SPÖ: Mit ihren Stimmen wäre sowohl die Zweidrittelmehrheit im Nationalrat als auch jene im Bundesrat gesichert – beides ist notwendig, weil die Verfassungsänderung auch in die Kompetenzen der Länder eingreift. Der rote Vizeklubchef Jörg Leichtfried gibt sich im Gespräch mit dem STANDARD aber wenig optimistisch, dass das Gesetz noch umgesetzt wird. "Mein Gefühl ist: Die Regierung hat die Informationsfreiheit beerdigt. Das ist schon ein Armutszeugnis."

SPÖ "unterstützt" Plan

Wobei auch die SPÖ intern nicht lückenlos von der Euphorie für die Abschaffung des Amtsgeheimnisses erfasst ist: Der mächtige Wiener Bürgermeister Michael Ludwig zählt etwa zu den schärfsten Kritikern des vorliegenden Entwurfs. Leichtfried sagt dazu: "Die SPÖ unterstützt die Informationsfreiheit. Mehrheiten zu suchen ist freilich Aufgabe der Regierung."

Ebenfalls fertig, aber näher an einer Umsetzung ist übrigens der Entwurf für die türkis-grüne Reform der Parteienfinanzen. Der Entwurf sei koalitionsintern fertig ausverhandelt, bestätigt ein Sprecher der grünen Klubobfrau Sigrid Maurer. In "absehbarer Zeit" werde er den Oppositionsparteien für Verhandlungen übermittelt. (Sebastian Fellner, 16.2.2022)