Beobachtet "neuen religiösen Fundamentalismus in der jungen ÖVP": Kommunikationswissenschafter Fritz Hausjell.

Foto: Regine Hendrich

Wien – "Ich sehe keine Grenzüberschreitung. Das Cover ist nett böse." So verteidigte der Wiener Kommunikationswissenschafter Fritz Hausjell im Dezember 2021 die Montage der "Heiligen Familie" mit Sebastian Kurz und Susanne Thier. Die Entscheidung des Presserats über die Illustration der "Falter"-Satirebeilage "Best of Böse" bestätigt ihn nun. Der Kommunikationswissenschafter zeigt sich im STANDARD-Gespräch besorgt über das "defensive Verständnis von Medienfreiheit" in der ÖVP.

Der Presserat entschied, am Freitag veröffentlicht: Die Montage sei medienethisch zulässig, Presse- und Meinungsfreiheit seien bei Satire und Karikatur besonders weit auszulegen. Ob sie sinnvoll und gelungen ist, seien "Geschmacksfragen", ließ das Selbstkontrollorgan der österreichischen Presse verlauten.

Hausjell hat die Veröffentlichung und die Empörung darüber in einem ausführlichen Thread auf Twitter kommentiert. Wenn das Bild sexistisch sei, dann hätten "wir uns gehörig verrannt", so Hausjell. Dann dürfe es "keine Bilder von stillenden Müttern mehr geben, weder solche aus dem österreichischen Parlament noch ikonografische Bilder in Kirchen und Kunstausstellungen – und schon gar nicht in der garstigen Satire".

Kurz-Partnerin Thier wiederum sei im Gegensatz zu vielen Kommentaren keine unbeteiligte Privatperson, argumentierte Hausjell damals und verwies auf hunderte Nennungen in Artikeln und damals 238 Pressefotos in der Bilddatenbank der APA.

"Abwehrschlacht für Kurz' Reputation"

Die heftige Empörung vieler Konservativer erklärt Hausjell am Freitag im Gespräch mit dem STANDARD als "Abwehrschlacht für die Reputation" des ehemaligen Bundeskanzlers und ÖVP-Chefs Sebastian Kurz. Sorge bereitet Hausjell ein von ihm beobachteter "neuer religiöser Fundamentalismus, der in der jungen ÖVP Platz gegriffen hat", sagt Hausjell.

Der Kommunikationswissenschafter verweist auf die erste öffentliche Äußerung der damals designierten Medienministerin Susanne Raab zu Medienthemen. Raab kommentierte die "Best of Böse"-Montage auf Twitter mit: "Dieses Cover ist sexistisch und geschmacklos. Dass hier völlig unbeteiligte Privatpersonen in die Öffentlichkeit gezogen und dort bloßgestellt werden, überschreitet eine Grenze."

Eine "Überreaktion", findet Hausjell, und es wäre mit "etwas abgekühlten Gemütern" aus seiner Sicht Zeit, dies auch öffentlich zuzugeben. Der Kommunikationswissenschafter in Richtung der Medienministerin:" Ein so defensives Verständnis von Medienfreiheit bereitet mir wirklich Sorge".

Beim Presserat haben sich etwa auch die Grünen-Politikerinnen Eva Blimlinger und Meri Disoski beschwert. Blimlinger, Mediensprecherin der Grünen, kritisierte die "sexistische Montage" als "herabwürdigend". (fid, 18.2.2022)