Unter den mitteilsamsten Meeresbewohnern rangieren die Delfine ganz weit oben. Die äußerst sozialen Tiere beginnen schon Stunden nach der Geburt, sich mithilfe von Pfeiflauten zu verständigen – und entwickeln im Laufe ihres Lebens ein erstaunlich komplexes Repertoire an Lauten und Geräuschen. Zumindest die Vertreter einer Delfinart, der Großen Tümmler, haben sogar individuelle "Namen": Ihre Pfiffe enthalten eine persönliche Note, die von ihren Artgenossen erkannt wird und sogar nach Jahren der Trennung wieder einem einzelnen Tier zugeordnet werden kann, wie Forschende vor einigen Jahren herausgefunden haben.

Delfine sind äußerst sozial und mitteilsam. Worüber sie sich austauschen, ist aber alles andere als klar.
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Die Meeressäuger leben meist in größeren Gruppen zusammen und kommunizieren andauernd miteinander – doch was genau sie einander dabei mitteilen, ist nach wie vor unklar. Seit Jahrzehnten arbeiten Biologen und Linguisten daran, die Kommunikation der Delfine zu entschlüsseln, doch ein wirklicher Durchbruch ist nicht in Sicht.

An der großen Intelligenz der Delfine besteht kein Zweifel: Experimente zeigen, dass Delfine zu den wenigen Spezies gehören, die sich selbst im Spiegel erkennen können, sie sind äußerst lernfähig, nutzen geschickt Werkzeuge und können sogar Touchscreens mit der Schnauze bedienen und so Computerspiele spielen. Aber haben sie eine eigene Sprache? Welche Inhalte transportieren ihre Laute, und geht ihre Kommunikation über den Austausch einfacher Informationen hinaus? Ist Sprache, was den Menschen vom Tier unterscheidet?

Verblassende Einzigartigkeit

Die Vorstellung, dass Tiere zwar kommunizieren, aber nur Menschen sprechen, reicht bis in die Antike zurück. Bis heute ist sich die Fachwelt uneins darüber, ob man Tieren eine Sprache zuschreiben kann oder nicht. Immer detailliertere Erkenntnisse darüber, wie Tiere kommunizieren, lassen die Besonderheiten der menschlichen Sprache aber zunehmend verblassen. So manches Ergebnis stellt auch infrage, ob wir überhaupt so einzigartig sind, wie wir bisweilen meinen.

"Menschliche Sprache zeichnet sich dadurch aus, dass sie unendlich expressiv ist", sagt die Wiener Linguistin und Kognitionsbiologin Theresa Matzinger. "Wir können so viele verschiedene Dinge ausdrücken und kombinieren, dass wir etwas sagen können, das noch nie zuvor gesagt wurde und trotzdem für andere verständlich ist."

"Wir Menschen haben quantitativ viel mehr sprachliche Fähigkeiten, aber es gibt nicht dieses eine Merkmal, das nur unsere Sprache besitzt und sonst nirgends vorkommt", sagt die Linguistin und Biologin Theresa Matzinger.
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Doch viele andere Aspekte, die lange Zeit als Belege für eine Exklusivität der menschlichen Sprache herangezogen wurden, seien inzwischen dekonstruiert worden, sagt Matzinger, die derzeit an der Universität Torun in Polen forscht, zuvor war sie an der Universität Wien tätig. "Es hat sich herausgestellt, dass es in der tierischen Kommunikation ganz ähnliche Elemente gibt, etwa Kategorisierungen oder die Fähigkeit, andere zu imitieren, ohne dasselbe Lautrepertoire zu haben."

Sprache als Alleinstellungsmerkmal?

Papageien sind für ihre Imitationsgabe schon lange berühmt, doch inzwischen ist klar: Auch Elefanten, Fledermäuse und Wale sind dazu in der Lage, Laute anderer Spezies nachzuahmen. "Wir Menschen haben quantitativ viel mehr von diesen sprachlichen Fähigkeiten, aber es gibt nicht dieses eine Merkmal, das nur unsere Sprache besitzt und sonst nirgends vorkommt", sagt Matzinger.

Ob Tiere Sprachen besitzen, sei in der Fachwelt sehr umstritten, bestätigt auch die Zoologin Angela Stöger-Horwath vom Department für Kognitionsbiologie der Universität Wien. "Es kommt immer darauf an, wen Sie fragen und was man als Sprache bezeichnet", sagt Stöger-Horwath, die mit dem Titel Von singenden Mäusen und quietschenden Elefanten (Brandstätter 2021) ein Buch über Kommunikation im Tierreich vorgelegt hat, das zuletzt zum Wissenschaftsbuch des Jahres 2022 gewählt wurde.

"Die menschliche Sprache ist ohne Zweifel einzigartig in ihrer Komplexität, und so, wie wir die Sprache und die Akustik verwenden, sucht sie ihresgleichen im Tierreich." Wenn man die Kommunikation unter Tieren genau beobachte, ließen sich aber durchaus Beispiele finden, wo Kommunikation nicht nur Angst oder Gefahr ausdrücke oder rein reflexartig sei. "Tiere kommunizieren schon auch sehr bewusst", sagt Stöger-Horwath. "Sie reden einander an, so haben etwa Delfine für jeden Artgenossen einen bestimmten Ruf."

Gefinkelte Stimmenimitatoren

Weiters spiele auch Imitation bei der Kommunikation von Tieren eine Rolle: Die Vogelart Trauerdrongo vermag etwa die Alarmrufe von Erdmännchen nachzumachen. "Die Vögel imitieren die Warnrufe im richtigen Moment, sodass die Erdmännchen alles liegenlassen und in ihre Bauten verschwinden – die Trauerdrongos schnappen sich dann das von diesen gesammelte Futter." Beispiele wie diese zeigen für Stöger-Horwath: "Die Kommunikation im Tierreich ist sehr vielseitig und auch sehr gefinkelt."

"Tiere kommunizieren sehr bewusst", sagt die Zoologin Stöger-Horwath. "In vielen Bereichen sind wir Menschen speziell und höher entwickelt. Aber eben nicht so einzigartig, wie wir glauben. Da bricht manchen ein Zacken aus der Krone, das zuzugeben."
Foto: Mammal Communication Lab

Worin besteht nun also das Problem, den Sprachbegriff auch für Tiere gelten zu lassen? "Im wissenschaftlichen Kontext wird Sprache meist nur für Menschen verwendet, bei Tieren wird eher von Vokalisation oder Kommunikation gesprochen. Ich finde den Ausdruck Tiersprachen aber nicht falsch oder irreführend", sagt die Linguistin Matzinger.

Universelle Begriffe

Stöger-Horwath, die diesem Begriff gegenüber ebenfalls aufgeschlossen ist, meint dazu: "Was es braucht, ist, dass wir Begriffe, die wir für uns Menschen verwenden, auch bei Tieren anwenden dürfen." Dabei geht es etwa um den Begriff Persönlichkeit, die bei Tieren oft als Individualität bezeichnet wird. Oder den Begriff Freundschaft, der bei Tieren oft als soziale Partnerschaft tituliert wird.

Damit zu tun hat auch die Frage, ob Tieren Gefühle zugestanden werden – ähnlich wie uns Menschen. "Das ist eine Entwicklung, die Zeit braucht, weil sich der Mensch immer noch als sehr einzigartig sieht", sagt Stöger-Horwath. "In vielen Bereichen sind wir Menschen auch speziell und höher entwickelt. Aber eben nicht so einzigartig, wie wir glauben. Da bricht manchen ein Zacken aus der Krone, das zuzugeben."

Insofern legt die Forschung zum Kommunikationsverhalten von Tieren auch grundlegende Charakteristika unserer menschlichen Sprache und Persönlichkeit frei – und offenbart, wo wir uns selbst im Tierreich verorten oder außerhalb davon.

Aufwendige Experimente

Eine weitere Frage, die die Entschlüsselung von tierischer Kommunikation aufwirft, ist jene, ob diese überhaupt einer Logik folgt, die uns Menschen begreifbar ist. Um Hypothesen zur Kommunikation im Tierreich aufzustellen, werden zunächst unzählige Beobachtungen vorgenommen sowie Ton- und Videoaufnahmen gemacht. "Wir müssen immer ganz genau dokumentieren, wer wie, wann, wo und warum mit wem kommuniziert." All diese Daten werden analysiert, um schließlich Hypothesen zum Kommunikationsverhalten abzuleiten.

Um diese wiederum zu validieren, kommen gewöhnlich sogenannte Playback-Experimente zum Einsatz: Den Tieren werden in bestimmten Situationen arteigene Tonaufnahmen vorgespielt, und die Forschenden beobachten, wie die Tiere darauf reagieren. "Das ist die einzige Möglichkeit, die wir haben, um die Tiere zu ‚fragen‘, ob die Hypothese, die wir zur Bedeutung des Lautes aufgestellt haben, auch richtig ist."

Künstliche und tierische Intelligenz

Erst in den vergangenen Jahren hat sich in diesem Forschungsbereich eine neue Methode zur Entschlüsselung von Tierkommunikation aufgetan – durch maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz. "Da können wir vielversprechende Ergebnisse erzielen", sagt Stöger-Horwath. Insbesondere, wenn viel Datenmaterial vorhanden ist, was nicht bei allen Tierarten leicht aufzutreiben ist.

En masse sind Tonaufnahmen von verschiedenen Walarten zu haben – ihre Laute sind im Meer oft kilometerweit zu hören und entsprechend gut für Aufnahmen geeignet. Die staccatoartigen Knackslaute der Pottwale waren das Ausgangsmaterial für ein internationales Forschungsprojekt, das sich zum Ziel gesetzt hat, diese Tiersprache mithilfe von künstlicher Intelligenz zu entschlüsseln.

Muster im Chaos

Unter dem Projektnamen CETI, der für Cetacean Translation Initiative (Wal-Übersetzungs-Initiative) steht, hat sich um den Biologen David Gruber von der City University of New York (CUNY) ein interdisziplinäres Team aus Informatikern, Verschlüsselungsexperten und Biologen zusammengetan, um der rätselhaften Pottwal-Kommunikation mittels maschinellen Lernens auf die Schliche zu kommen.

Für die Projektbeteiligten geht es bei CETI um weit mehr als nur Wale. "Die Menschheit ist an einem entscheidenden Wendepunkt", lautet das Credo des CETI-Teams: "Um zu überleben, müssen wir unsere Beziehung mit der Natur neu formen."

Der Kollaps von Ökosystemen, der Verlust von Biodiversität und der Klimawandel, all das steht für die CETI-Forschenden auf dem Spiel beim Versuch, die Kommunikation von Pottwalen zu knacken – und womöglich mit ihnen ins Gespräch zu kommen. "Wir haben nun die Werkzeuge in der Hand, die Struktur und Muster der Kommunikation von Pott walen zu identifizieren und zu übersetzen und damit den Weg von bedeutungsvollen Dialogen mit anderen Spezies einzuschlagen", lautet das verheißungsvolle Versprechen.

Das Massensterben der Sprachen

Die Anstrengungen, die unternommen werden, um dem Kommunikationsverhalten von Meeressäugern auf die Spur zu kommen, mögen überraschen, wenn man bedenkt, wie viele Sprachen von uns Menschen akut vom Aussterben bedroht sind – ohne dass besonderes Aufsehen darum gemacht würde.

Wie eine australische Studie, die kürzlich im Fachmagazin "Nature Ecology and Evolution" publiziert wurde, zeigte, ist von den weltweit rund 7.000 anerkannten Sprachen ungefähr die Hälfte bereits gefährdet, etwa 1.500 könnten bis zum Ende des Jahrhunderts verschwunden sein. "Ohne Intervention könnte sich der Sprachverlust innerhalb von 40 Jahren verdreifachen, wobei mindestens eine Sprache pro Monat verlorengehen wird", lautet der düstere Befund des Forschungsteams.

Überraschende Parallelen

Bei der Untersuchung von mehr als 6.500 gesprochenen Sprachen seien auch unerwartete und überraschende Gründe für Sprachbedrohung entdeckt worden, sagt Co-Autorin Lindell Bromham. Dazu gehöre etwa ein gut ausgebautes Straßennetz. "Wir haben festgestellt, dass das Risiko einer Gefährdung von Sprachen umso höher ist, je mehr Straßen es gibt, die ländliche mit urbanen Regionen und Dörfer mit Städten verbinden. Es ist, als ob Straßen den dominanten Sprachen helfen, andere, kleinere Sprachen plattzuwalzen."

Damit sind wiederum überraschende gemeinsame Feinde sowohl von seltenen Menschensprachen wie auch von Tiersprachen benannt – Industrialisierung, der Ausbau von Infrastruktur und der Verlust von Lebensraum zählen schließlich zu den Hauptfaktoren des Biodiversitätsverlusts. Und mit dem Sterben der Arten verschwinden auch ihre Sprachen.

Mit dem Radioteleskop-Observatorium Alma in Chile wird auch nach Signalen einer außerirdischen Intelligenz gefahndet – bisher vergeblich.
Foto: ESO/B. Tafreshi

Hinken Linguistik und Kognitionsbiologie also nur der Dokumentation jener Laute hinterher, die bald schon nicht mehr zu vernehmen sein werden? Ganz so düster ist der Befund auch wieder nicht. Viele Forschende, die sich mit Tierkommunikation beschäftigen, sehen gerade in ihrer Arbeit einen wichtigen Schlüssel, um die Schutzmaßnahmen für diese Spezies zu stärken.

Test für außerirdische Gespräche

Ein weiterer optimistischer, wenn auch futuristischer Ausblick eröffnet sich durch einen Blick in die Sterne. Das Akronym CETI erinnert wohl nicht ganz zufällig an SETI – die weithin bekannte Abkürzung für die Suche nach extraterrestrischer Intelligenz. U. a. wird dabei im Radiobereich des elektromagnetischen Spektrums nach möglichen Anzeichen technischer Zivilisationen im All gesucht. Bislang noch ohne durchschlagende Ergebnisse. Aber sollten eines Tages tatsächlich derartige Signale registriert werden, wäre der CETI-Ansatz wohl ziemlich genau jenes Werkzeug, das es bräuchte, um Aliensprachen verstehen zu können. (Tanja Traxler, David Rennert, 22.2.2022)