Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner sind sich ob einer Personalentscheidung uneins.

Foto: EPA

Der Truppenübungsplatz Allentsteig ist ein Ort der Widersprüche: Er ist gleichzeitig ein Naturparadies für seltene Vogelarten und Trainingsplatz für jährlich bis zu 30.000 Soldaten. In Allentsteig ist das Aufklärungs- und Artilleriebataillon stationiert, gleichzeitig liefern Forst und Jagd hohe wirtschaftliche Erträge für das Heer. Und der Truppenübungsplatz hat einen Kommandanten, der als Kommandant de facto abgelehnt wurde.

Es ist eine merkwürdige Geschichte: Im März 2020 schrieb das türkise Verteidigungsressort die Leitung des Truppenübungsplatzes (Tüpl) aus. Vier Bedienstete bewarben sich, drei erfüllten die Muss-Kriterien und wurden als "in höchstem Maß geeignet" bewertet. Das Rennen machte Herbert Gaugusch, der zuvor schon stellvertretender Kommandant gewesen war. Doch Bundespräsident Alexander Van der Bellen spielte nicht mit.

Mit der Führung betraut

Zweimal versagte die Präsidentschaftskanzlei dem Verteidigungsministerium die Ernennung von Gaugusch, sowohl Ende Juli als auch Ende September 2020. Ein politisch beachtlicher Vorgang, der bislang jedoch ohne Konsequenzen blieb. Denn: "Abgesehen davon leitet er den Truppenübungsplatz Allentsteig weiterhin", wie es lapidar in einer Anfragebeantwortung des Verteidigungsressorts heißt. Auch heute noch grüßt Gaugusch von der Website des "Tüpl A" als Kommandant "m. d. F. b." – "mit der Führung betraut".

Wie ist das möglich? "Nach diversen Erhebungen und Kontakten der Präsidentschaftskanzlei mit dem BMLV bezüglich der Nachvollziehbarkeit der Bewerberauswahl" habe Tanner den Antrag am 22.12.2020 zurückgezogen, sagt ein Sprecher der Präsidentschaftskanzlei zum STANDARD. Ein neuer sei nicht gestellt worden. Aus dem Umfeld des Präsidenten heißt es, Tanner hätte erklären müssen, warum sie sich für Gaugusch entschieden hat. Vor allem, da andere Bewerber besser abgeschnitten hätten. Das sei nicht erfolgt, die Ernennung wurde versagt. Nun sei der Akt komplett zurückgezogen worden.

Pattsituation

Das Verteidigungsministerium sagt dazu: "Der Grund, warum Herr Bundespräsident den vorgeschlagenen Kommandanten des Truppenübungsplatzes nicht ernannt hat, entzieht sich unserer Kenntnis." In einer parlamentarischen Anfragebeantwortung schrieb es, dass einer "Verlängerung der bisherigen Betrauung nichts im Wege" stehe. Dort befürchtet man, dass eine Neuausschreibung rechtliche Probleme verursachen könnte, da dann Bewerber den Rechtsweg beschreiten könnten. Kritische Stimmen aus dem Bundesheer vermuten fragwürdige Motive hinter der Entscheidung für Gaugusch: Dieser engagierte sich zumindest früher im NÖAAB, einer Teilorganisation der ÖVP Niederösterreich.

Außerdem wird auf Rechnungshofberichte über den Truppenübungsplatz verwiesen. Im Jahr 2015 berichtete die Kontrollbehörde über intransparente Vergaben von Holzschlägerungen. Noch dazu konnte nicht rekonstruiert werden, wohin 6.900 Festmeter Holz verschwunden waren. Eine Erklärung für das verschwundene Holz im Wert von mehreren Hunderttausend Euro konnte eine Untersuchungskommission nicht liefern. Auch für das Controlling am Truppenübungsplatz war er später verantwortlich. Auch das Jagdwesen wurde kritisiert: Privatpersonen konnten zur Jagd geladen werden, wenn daran ein "wehrpolitisches Interesse" bestand. Das sei "in jedem Einzelfall nachvollziehbar zu begründen", hieß es.

Controlling

Informationen, dass Gaugusch mit der Leitung der Untersuchungskommission zu den Holzfehlbeständen im Jahr 2013 betraut worden war, werden vom Bundesheer als falsch bezeichnet; ebensowenig soll Gaugusch für Controlling zuständig gewesen sein.

Das Verteidigungsministerium weist darauf hin, dass nach der Rechnungshof-Kritik "die Betriebsorganisation des Truppenübungsplatzes Allentsteig im Wesentlichen durch Änderungen der Aufbau- und Ablauforganisation in einem eigenen Projekt angepasst wurde. Mit 1. Dezember 2019 erfolgte die Inkraftsetzung des 'neuen' Organisationsplanes."

Jetzt leitet Gaugusch also den Tüpl A, ohne vom Bundespräsidenten ernannt worden zu sein. Für den FPÖ-Politiker Alois Kainz, der Anfragen dazu eingebracht hat, ist das eine "unbefriedigende Situation". Er fordert die Verteidigungsministerin auf, eine Lösung zu finden. Das Ernennungsverfahren sei rechtlich jedenfalls "nicht abgeschlossen", betont die Präsidentschaftskanzlei. Aus dem Ressort von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), das auch für öffentlichen Dienst zuständig ist, heißt es, die Möglichkeit einer fortlaufenden Betrauung sei "von den dienstrechtlichen Regelungen gedeckt" und liege "in der Kompetenz der einzelnen Bundesministerien". Das Verteidigungsressort sagt, Gaugusch werde "diese Position, bis das derzeit laufende Prüfungsverfahren abgeschlossen ist, ausüben". (Fabian Schmid, 22.2.2022)