Die Gesundheitsbeamtin und der Generalmajor bilden seit zwei Monaten ein ungewöhnliches Duo – zumal sie ein Gremium leiten, das im Kanzleramt sitzt.

Foto: Heribert CORN

Das Gespräch beginnt wie viele Treffen momentan. Mit der Frage: Wie tun mit der Maske? Katharina Reich und Rudolf Striedinger entscheiden schließlich, sie für Fotos abzunehmen – rutschen dafür aber auseinander. Wobei sich die Gecko-Vorsitzenden sonst inhaltlich nahe sind, wie sie klarstellen.

STANDARD: In den Berichten der Gecko werden seit kurzem abweichende Meinungen veröffentlicht. Wann waren Sie beide sich zuletzt uneins?

Reich: Das passiert nicht.

Striedinger: Weil wir keine Überschneidungen in den Zuständigkeiten haben, kann es inhaltlich zu keinem Dissens kommen – abgesehen davon, dass es chemisch gar nicht möglich ist.

STANDARD: Und wann waren Sie zuletzt anderer Meinung als die Bundesregierung?

Striedinger: Auch das kann es in der Reihenfolge der Prozesse nicht geben. Gecko bekommt von der Regierung Fragen gestellt. Die bearbeiten wir in Arbeitsgruppen und liefern Informationen. Diese übergeben wir an die Bundesregierung, die eine politische Entscheidung trifft. Wenn das inhaltlich in Nuancen von unserer persönlichen Einschätzung abweicht, dann hat das keine Relevanz. Es macht einen Unterschied, ob fachliche Expertise aus Bundesländern bei uns oder lokale politische Meinungen auf Regierungsseite einfließen.

Reich: Ein schwieriges Thema war das Auseinanderhalten der Kommunikation: Was hat die Bundesregierung entschieden? Was gibt es als Unterlage dazu von Kommissionsseite? Das ist der Punkt, den wir mit der Regierung gemeinsam, nicht diskutieren, aber immer wieder besprechen.

STANDARD: Da gab es einen Pressetermin, bei dem Sie, Frau Reich, ohne Bundesregierung an Ihrer Seite Maßnahmen verkündet haben.

Reich: Das würde ich im Nachhinein nicht mehr machen. Das gehört zu diesen Learnings dazu. Damals ist keine scharfe Trennung passiert.

Striedinger: Es war extrem herausfordernd. Wir hatten die konstituierende Gecko-Sitzung. Die hat sieben Stunden gedauert. Ziel war ein Ergebnis, das am nächsten Tag von Bundesregierung und Landeshauptleuten diskutiert werden sollte. Die Politik hat entschieden, dass die Gecko-Spitze die Ergebnisse präsentieren soll – ich wurde krankheitsbedingt vertreten. Katharina hat sich ja nicht ausgesucht, ob sie diese Pressekonferenz machen soll oder darf.

Reich: Nein, das habe ich mir nicht ausgesucht.

"Das würde ich im Nachhinein nicht mehr machen." – Katharina Reich über eine Pressekonferenz.
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STANDARD: Nicht zum ersten Mal wurde der Vorwurf laut, die ÖVP wolle mit Lockerungen von ihren eigenen Skandalen – zuletzt etwa Johanna Mikl-Leitners Gsindl-Sager – ablenken. Ist Gecko ein Spielball der Politik?

Reich: Man kann alles herbeikonstruieren. Wir versuchen, Gecko maximal von einer Verwendung, die ihr nicht zugedacht ist, abzugrenzen. Unsere Aufgabe ist es, unsere heterogene Truppe zusammenzuhalten und der Regierung Einschätzungen zu liefern.

STANDARD: Am 5. März fallen fast alle Maßnahmen. Ist das ein Fehler?

Reich: Nein. Die Prognosen zeigen, der März wird stabiler, die Zahlen gehen hinunter. Omikron unterscheidet sich in seiner Krankheitslast von anderen Varianten. Da keine großen Einschränkungen mehr aufrechtzuerhalten ist gerechtfertigt. Vielleicht geht es im Mai wieder los, es könnte auch im April, zu Ostern, eine neue Variante daherkommen. Aber unsere Instrumente werden stumpf. Bei scharfen Maßnahmen verlieren wir die Bevölkerung, wir haben sie bei gewissen Bereichen bereits verloren.

Striedinger: Niemand sagt, dass die Pandemie zu Ende ist. Aber wir haben eine Phase, in der man den Leuten mehr Freiheit geben muss. Die halten das sonst auch nicht mehr aus.

STANDARD: Wie sehen die Vorkehrungen für den Herbst aus?

Striedinger: Im Moment haben wir das Problem, dass das Leistungsvolumen der Spitäler auf der personellen Ebene leidet. Bettenkapazitäten sind derzeit nicht die Herausforderung. Wir haben im zivilen und militärischen Bereich Vorsorge getroffen, falls wir wieder mehr Betten benötigen. Auch gibt es ein Ausmaß an Personen in der Bevölkerung, die in der Lage sind, pflegerisch tätig zu sein.

Reich: Falls eine neue Variante mehr Hospitalisierungen nach sich zieht, müssen wir auf die Pläne, die wir in der Schublade haben, zurückgreifen: Kontrollen, Eintritt nur für Geimpfte und Genesene, Personenanzahlen und Risikosettings reduzieren und die Maskenpflicht.

STANDARD: Wie oft haben Sie sich in der vergangenen Woche getestet?

Striedinger: Meine Frau ist Stationsschwester in einem Krankenhaus, darum teste ich mich unter der Woche alle 48 Stunden.

Reich: Einmal. Aber mein Mann, der auch in der Pflege tätig ist, ist gerade im Krankenstand, darum habe ich diesen Rhythmus derzeit ausgesetzt.

STANDARD: Soll das ab April für Symptomfreie weiterhin möglich sein?

Reich: Die Teststrategie wird derzeit diskutiert. Persönliche Meinungen nutzen jetzt wenig.

STANDARD: Kann die Impfpflicht eine präventive Maßnahme sein, die eine erneute Überlastung verhindert?

Reich: Es ist eine sehr harte, einschneidende Maßnahme. Ich halte sie in so prekären Situationen wie der Pandemie für sinnvoll. Harte Zeiten erfordern harte Maßnahmen.

Striedinger: Ja. Wir haben ein Ziel: Wir wollen keinen weiteren Lockdown. Je höher der Immunisierungsgrad der Bevölkerung ist, desto sicherer sind wir.

STANDARD: Die Fronten zwischen Geimpften und Ungeimpften sind verhärtet. Kann Gecko dazu beitragen, diesen Riss in der Gesellschaft zu kitten?

Reich und Striedinger testen sich im Normalfall beide mehrmals wöchentlich. Ob das im April noch möglich ist, ist offen.
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Striedinger: So wie man niemandem die Impfung in den Arm hineinzwingen wird, kann man auch niemandem Expertenwissen in den Kopf hineinzwingen. Es ist eine politische Frage, wie man die Menschen wieder zusammenbringt.

STANDARD: Sind diese rund 40.000 Personen, die jede Woche auf der Straße demonstrieren, noch greifbar für die Politik oder Wissenschaft?

Striedinger: Wir erreichen eine viel höhere Zahl nicht – sonst wären mehr geimpft. Man muss aber zwischen den Gruppen unterscheiden. Viele, die demonstrieren, sprechen sich gegen die Maßnahmen oder das Impfen aus, aber Rechtsradikale, Staatsverweigerer und sonstige nutzen den Protest als Plattform.

STANDARD: Wann haben Sie zuletzt eine Morddrohung erhalten?

Reich: Vor wenigen Wochen wollte uns jemand im Ministerium "abfackeln". Es gibt allgemeine Bedrohungen – E-Mails und Briefe, die davon handeln, dass jemand auf mich "warten würde", wenn ich das Gebäude verlasse, zum Beispiel.

Striedinger: Ich habe es da leichter: Durch meine Adjustierung habe ich einen Blitzableiter. Die Leute reiben sich eher an meiner Kleidung.

STANDARD: Ihr Auftreten in Uniform hat für Aufregung gesorgt.

Striedinger: Wir waren mit tausenden Soldaten seit Beginn bei der Pandemiebekämpfung dabei. In der Adjustierung, in der die Soldaten den Dienst versehen, will ich auch die Aufgaben des Bundesheeres und die Soldaten repräsentieren.

STANDARD: Sie werden Ihren Tarnanzug also anbehalten?

Striedinger: Wenn ich das nicht tue, haben diejenigen gewonnen, die dagegen sind, und ich verliere jene, die dafür sind.

STANDARD: Herr Striedinger: In wenigen Monaten wird der Posten des Generalstabschefs neu besetzt. Reizt Sie der Job?

Striedinger: Absolut. Ich werde mich auch bewerben – nicht als Einziger.

"Durch meine Adjustierung habe ich einen Blitzableiter." – Rudolf Striedinger auf die Frage nach Morddrohungen.

STANDARD: Frau Reich: Können Sie sich einen Wechsel in die Politik – wie Ihre Vorgängerin Pamela Rendi-Wagner – vorstellen?

Reich: Auf keinen Fall.

STANDARD: Wann wird man Gecko nicht mehr brauchen?

Reich: Sie ist auf ein Jahr angesetzt. Wenn Herbst und Winter gelingen, dann werden wir bewerten, ob das Gremium noch gebraucht ist. (Oona Kroisleitner, Gabriele Scherndl, 26.2.2022)