Der Ausschluss Russlands aus dem Finanzsystem Swift wurde von vielen Seiten gefordert. Erste dahingehende Schritte wurden nun eingeleitet.

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Die russische Wirtschaft isolieren und das Land vom internationalen Finanzsektor abschneiden – das sind die Ziele, die der Westen mit seinen Sanktionen erreichen will. Russland soll der Zugriff auf Vermögenswerte verhindert werden, damit die wirtschaftlichen – und damit letztlich auch die politischen – Kosten für Präsident Wladimir Putins Krieg massiv steigen. Man sei "entschlossener denn je, Russland einen hohen Preis für diese Aggression aufzuerlegen", sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Ein Regierungsbeamter in Washington ergänzte, dass Russland dank der Sanktionen zu einem "globalwirtschaftlichen und finanziellen Geächteten geworden" ist. Doch der Umfang der Sanktionen ist umstritten.

Swift: Ausschluss vom internationalen Finanzmarkt

Es war eine umstrittene Frage, eine rasche Einigung nicht möglich. Doch in der Nacht auf Samstag stand der Beschluss fest: Die EU-Kommission, USA, Kanada und Großbritannien haben den Ausschluss einiger russischer Banken aus dem Finanzkommunikationssystem Swift beschlossen. Jene Geldhäuser, die bereits von Sanktionen der internationalen Gemeinschaft betroffen sind, werden nun von Swift ausgeschlossen. Dazu zählen mit der Sberbank und der VTB auch die beiden größten russischen Institute. Die betroffenen Geldhäuser können damit keine Transaktionen mehr über das internationale Kommunikationssystem abwickeln und gelten damit als finanziell isoliert. Soweit erforderlich, sollen weitere russische Banken dazukommen.

Vor allem Deutschland – aber auch Österreich – waren anfangs gegen diesen Schritt. Denn es ist zweifellos ein Vorgehen, das Russland nicht alleine spüren wird. Daher wurde diese Sanktion vorerst auch nicht allen russischen Banken auferlegt. Ein kompletter Bruch mit Swift hätte zur Folge, dass auch die russische Bevölkerung keine internationalen Überweisungen mehr tätigen oder erhalten könnte. Die Bevölkerung soll durch die Maßnahmen aber möglichst nicht leiden, heißt es. Als 2012 der Iran erstmals von Swift ausgeschlossen wurde – als Antwort auf das iranische Atomprogramm –, zeigte sich, dass mit dem Finanzstrom auch der Warenstrom versiegt. Eine Versorgungskrise war für die iranische Bevölkerung die bittere Folge.

Auch westliche Unternehmen, die in Russland produzieren, würden in ihren Geschäften massiv eingeschränkt, weil deren Importe, Exporte oder Einkäufe vor Ort nicht mehr einfach abgewickelt werden könnten. Zudem braucht die EU zumindest eine aufrechte Bankverbindung, um die Gaslieferungen aus Russland bezahlen zu können. Derzeit stammen 40 Prozent der in der EU verbrauchten Gasmenge aus Russland.

80 Prozent des Sektors betroffen

Die derzeitigen Sanktionen betreffen 80 Prozent des gesamten russischen Bankensektors. "Wir sind zuversichtlich, dass diese Maßnahmen sofort wirken werden und das russische Bankensystem in den freien Fall schicken werden", sagte ein US-Beamter.

Die Folgen vom Swift-Ausschluss werden sich in den nächsten Tagen zeigen. Ob diese Maßnahme Russland wirklich so hart treffen wird, gilt als umstritten. Denn Russland hat in den vergangenen Jahren mit SPFS und Mir eigene Finanzsysteme entwickelt, an die rund 400 Banken in Anrainerstaaten wie Kasachstan, Armenien oder Kirgisistan angeschlossen sind. So lange diese Banken nicht mit Sanktionen belegt sind, könnte Geld via Swift dorthin überwiesen werden und dann weiter via SPFS oder Mir nach Russland. Offen ist die Frage, ob sich Russland bei der Abwicklung von Finanztransaktionen mit Chinas System zusammenschließen wird. Das könnte in Summe ein starkes Gegengewicht zu Swift bedeuten. Die Position von China in dieser Frage ist offen. Aus Washington hieß es zuletzt, es gebe Signale, dass Peking Moskau nicht zur Hilfe kommen werde. So ein Schritt könnte dem chinesischen Ansehen nämlich massiven Schaden zufügen, heißt es.

China stellte jedoch am Sonntag klar, dass es die Sanktionen des Westens nicht unterstütze. "China unterstützt den Einsatz von Sanktionen zur Lösung von Problemen nicht und ist gegen einseitige Sanktionen, die keine Grundlage in internationalem Recht haben", zitierte das Ministerium eine Erklärung des chinesischen Außenministers Wang Yi. Japan schließt sich laut Ministerpräsident Fumio Kishida dem Westen an und sperrt russische Banken von Swift aus.

Russland stehen im Bereich der Digitalwährungen – zumindest theoretisch – zwei Alternativen zu Swift zur Verfügung, sagte Philipp Sandner, Wirtschaftswissenschafter an der Frankfurt School of Finance & Management. Russland könnte auf klassische Kryptowährungen ausweichen, Präsident Wladimir Putin könnte zudem versuchen, sein Land an die neue chinesische Digitalwährung e-Yuan (eCNY) anzudocken.

Zentralbanken: Den Spielraum einengen

Teil der aktuellen Finanzsanktionen ist auch eine Beschränkung der russischen Zentralbank. Die EU, USA und Großbritannien wollen die Möglichkeiten der russischen Zentralbank weiter einschränken, mit internationalen Finanzgeschäften den Rubelkurs zu stützen. Die russische Währung kam in den vergangenen Tagen immer wieder stark unter Druck und wurde von der Zentralbank gestützt. Vor dem Wochenende brach der Rubel auf ein Rekordtief von 87 US-Dollar ein. Der Euro stieg zeitweise bis auf 101 Rubel. Die russische Zentralbank kündigte daher weitere Interventionen an. So wurde etwa die Liste von Sicherheiten, die gegen Zentralbankgeld akzeptiert werden, erweitert. Darüber hinaus wurde zusätzliche Liquidität für die Banken des Landes angekündigt. Alles Schritte, die nun erschwert bis unmöglich werden.

"Wir nehmen der Zentralbank die Möglichkeit, ihre Guthaben international einzusetzen", betonte EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen. Ziel sei es, die Möglichkeit des russischen Präsidenten Wladimir Putin zu beschränken, seine "Kriegsmaschinerie" zu finanzieren. Putin werde daran gehindert, seine Kriegskasse zu nutzen.

Russland hat zuletzt große Devisenreserven angehäuft und soll über mehrere Hundert Milliarden Dollar verfügen. Die EU zielt nun darauf ab, dieses Geld zu blockieren, indem man Banken in der EU untersage, dieses Geld aus Russland anzunehmen.

Oligarchen: Kein Zugriff mehr auf Vermögen im Ausland

Zunehmend spüren sollen die Sanktionen auch russische Oligarchen. Daher wird nun auch gezielt das Vermögen von Einzelpersonen und Einrichtungen in Russland und andernorts eingefroren, die den Krieg gegen die Ukraine unterstützen. Wohlhabenden Russen – neben Oligarchen sind davon auch Investoren betroffen – soll zudem die Möglichkeit genommen werden, dass sie sich für sich und ihre Familienangehörigen einen sogenannten goldenen Pass und damit eine europäische Staatsbürgerschaft erkaufen können.

Beim Zugriff auf das Vermögen der Oligarchen kommt es aber genau darauf an, wer auf der Sanktionsliste steht. Traditionell ist es bereits so, dass diverse Immobilien und Luxusgüter nicht im direkten Eigentum der Oligarchen stehen, sondern ihren Frauen, Kindern oder anderen Familienangehörigen gehören.

Von der Leyen sprach auch davon, dass Oligarchinnen auf die Liste kommen. "Wir arbeiten intensiv daran, dass sie über ihr Geldvermögen nicht mehr unbeschränkt verfügen können", erklärte sie. In Washington hieß es, dass man es auf "ihre Yachten, ihre Luxuswohnungen, ihr Geld und ihre Möglichkeit, ihre Kinder auf schicke Hochschulen im Westen zu schicken", abgesehen habe.

Bereits am Mittwoch hatte die EU das Einfrieren von Vermögenswerten gegen 351 russische Parlamentsabgeordnete und weitere 27 Personen und Unternehmen/Organisationen verhängt. Mit den Maßnahmen höhle man die Fundamente der russischen Wirtschaft nach und nach aus, sagt von der Leyen.

Schweiz: Ein Land pocht auf seine Neutralität

Der Schweizer Bundesrat hat zwar mitgeteilt, dass er das Vorgehen Russlands aufs Schärfste verurteilt. Bei Sanktionen hat sich das Land bisher aber zurückgehalten und pocht auf seine Neutralität. Man tue aber alles, damit Betroffene die Sanktionen nicht über den Umweg Schweiz umgehen, heißt es.

Die Schweiz hat daher Kontosperrungen für die von den EU-Sanktionen betroffenen Personen und Organisationen veranlasst. "Finanzintermediäre (Banken und Vermögensverwalter, Anm.) werden aufgefordert, die entsprechenden Vermögenswerte sofort zu blockieren und dem Staatssekretariat für Wirtschaft solche Geschäftsbeziehungen gemäß den Vorschriften der Verordnung zu melden", ordnete die Schweizer Finanzaufsicht an.

Das Instrument der "Umgehungsverhinderungsmaßnahmen" wendet die Schweiz seit 2014 an. Schon als Russland die Krim annektierte, übernahm die Schweiz die Sanktionen der EU nicht, sondern ergriff lediglich Maßnahmen zur Verhinderung, dass Zielpersonen die EU-Strafen über den Umweg Schweiz umgehen könnten. Stärker als auf Verbote setzt die Schweiz etwa auf Melde- und Bewilligungspflichten, etwa für Finanzgeschäfte mit russischen Banken oder Unternehmen.

Folgen: Massiver Kursrutsch, Währungsschwankungen

Als Reaktion auf die neuen Sanktionen erwarten Anleger massive Turbulenzen an den Börsen. Erwartet wird, dass Banken- und Finanzwerte als Folge des Swift-Ausschlusses diverser russischer Institute deutlich nachgeben werden. Allein an der größten russischen Bank Sberbank hängen viele US-Investoren.

Der britische Energiekonzern BP hat bereits angekündigt, sich von seinen 19,75-Prozent-Anteilen am russischen Ölunternehmen Rosneft zu trennen. Das könnte im ersten Quartal zu kosten von 25 Milliarden Dollar führen. Mit dem Ausstieg sei auch der Rückzug von BP-Chef Bernard Looney und seinem Vorgänger Bob Dudley als Verwaltungsratsmitglieder von Rosneft verbunden, hieß es in einer Mitteilung des Konzerns am Sonntag. Britischen Medienberichten zufolge gab BP mit dem Schritt Druck aus der Regierung in London nach.

Verwerfungen am Devisenmarkt erwartet

Am russischen Devisenmarkt wird es "zu einer Katastrophe kommen", sagt Sergei Aleksaschenko, der ehemalige stellvertretende Vorsitzende der russischen Zentralbank: "Ich denke, sie werden den Handel (mit dem Rubel, Anm.) einstellen und den Wechselkurs künstlich festlegen, wie zu Zeiten der Sowjetunion", sagte Aleksaschenko.

Edward Moya, leitender Marktanalyst bei Oanda, sagte, viele Händler seien überzeugt gewesen, dass die USA und Europa keine harte Haltung zeigen würden. Die gesetzten Aktionen werden schwer zu verdauen sein und werden viele Anleger beunruhigen.

Rating sackt ab

Die Ratingagentur S&P stufte bereits am Freitag die Kreditwürdigkeit Russlands auf Schrottniveau herunter. Die Experten begründeten das mit den internationalen Sanktionen, die weitreichende Auswirkungen auf die Fähigkeit des Bankensystems haben könnten, den internationalen Handel zu finanzieren. Die Ratingnote für langfristige Fremdwährungsanleihen wurde auf "BB+" von "BBB-" gesenkt und liegt damit im spekulativen Bereich. Weitere Herabstufungen seien möglich, schrieben die Analysten weiter, wenn mehr Klarheit über die wirtschaftlichen Auswirkungen der Sanktionen bestehe.

Auch die Ratingagentur Moody's drohte Russland mit einer Herabstufung seiner Kreditwürdigkeit auf Schrottniveau. Es gebe "ernsthafte Sorgen", ob es Russland gelinge, die Auswirkungen von Sanktionen auf seine Wirtschaft, sein Budget und sein Finanzsystem abzufedern, erklärte Moody's.

Von Experten werden die Maßnahmen unterschiedlich beurteilt. Von "Putin lacht über den Westen" bis zu "Russlands Wirtschaft wird hart getroffen" reicht deren Bandbreite. Ohne Rückwirkungen werden die Sanktionen nicht bleiben. Der deutsche Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat den Unternehmen daher Hilfe gegen die Folgen des Kriegs in der Ukraine und der Sanktionen gegen Russland zugesagt. (Bettina Pfluger, 27.2.2022)