Bild nicht mehr verfügbar.

Viele Pharmaziestudierende wollen später in einer Apotheke arbeiten. Der Weg dorthin ist aber steinig, wie Erzählungen und Studien zeigen.

Foto: dpa/picturedesk/Grubitzsch

Das Internet vergisst nicht. Auch nicht das Bild des hämisch grinsenden Armin Laschet in einem Überflutungsgebiet. "Steop-Profs, wenn sie die Pharma-Drop-out-Quote sehen", schreibt die Seite Pharma Memes Austria über das Foto des deutschen Kanzlerkandidaten. Rund 1500 Follower hat die Seite, die in Bezug auf das gute Gehalt im Apothekerberuf meint: "Da zahlt sich dann hoffentlich auch die psychische Schikane der Professoren aus." Selbst wenn man den Sarkasmus und den Anflug von Selbstmitleid ignoriert, bleibt der Eindruck: In Österreich Pharmazie zu studieren ist kein angenehmes Unterfangen.

Negative Bilanz

Evaluierungen wie die Studierendensozialerhebung des Instituts für Höhere Studien (IHS) stellen Pharmazie kein gutes Zeugnis aus. Das gilt für alle Studienstandorte: Innsbruck, Graz und Wien. "Die Pharmazie ist seit Jahren recht auffällig – im negativen Sinne", bilanziert die IHS-Forscherin Bianca Thaler. Während im Schnitt 39 Prozent der Studierenden an öffentlichen Unis ihr Studium als "gut studierbar" beschreiben, sind es in der Pharmazie nur sechs. Über alle Studiengänge gerechnet glauben mehr als die Hälfte, dass ein Abschluss in Mindestdauer grundsätzlich möglich wäre, dagegen können sich das in Pharmazie nur neun Prozent vorstellen. Zudem bewerten neun von zehn Pharmaziestudierenden den Arbeitsaufwand im Vergleich zu den vorgesehenen ECTS-Punkten als zu hoch und geben an, dass es häufig zu Wartezeiten im Studium kommt, da Prüfungen oder Lehrveranstaltungen nicht besucht werden können.

Engpass trotz Aufnahmeverfahren

Seit 2014 gibt es ein Aufnahmeverfahren für Pharmazie. "Es kommt jedoch nicht immer zu selektiven Tests", sagt Thaler. Oft reiche ein Erscheinen am Prüfungstag, um das Verfahren erfolgreich zu bestehen. Probleme entstehen laut der Expertin später: "Bei den Laborkapazitäten besteht ein Engpass. In Buchstudien kann man mit Überfüllung leichter umgehen, in Pharmazie sind die Laborstunden aber Voraussetzung." Das Ergebnis sei für die Studierenden frustrierend, denn "auch wenn man zugelassen wird, ist ein Platz in den Lehrveranstaltungen nicht garantiert". Das Grundproblem: Ressourcen und Studienplätze seien nicht austariert.

Forderungen nach einem Abbau der Studienplätze kommen nun auch von ungewöhnlicher Seite. Malena Brenek (23) und Dominik Kahr (22), die in Wien in der Studienvertretung aktiv sind, können der Reduktion der Studienplätze einiges abgewinnen. Denn es mache "keinen Sinn, die dreifache Menge an Leuten zuzulassen, ihnen die Hoffnung auf einen Studienplatz zu geben, wenn das überhaupt nicht realistisch ist", sagt Brenek. Die aktuelle Praxis ziehe allerhand Probleme nach sich: Knock-out-Prüfungen in der Eingangsphase, viele Langzeitstudierende und lange Wartelisten für Laborübungen. Brenek möchte die Verantwortung dafür nicht den Lehrenden in die Schuhe schieben. "Ein Studienplatz in Pharmazie ist sehr teuer, und das Geld reicht dafür einfach nicht aus."

Auch die Grazer Studienvertretung plädiert für eine Verknappung der Anfängerzahlen und kann sich damit härtere Aufnahmeprüfungen vor Studienantritt vorstellen.

Dekan sieht schon Fortschritte

In Wien und Graz werden die Platzzahlen seit 2019 bereits jährlich reduziert, von österreichweit im Universitätsgesetz festgeschriebenen "bis zu 1370" auf aktuell durchschnittlich 921 Erstsemestrige. Damit zählt Pharmazie von der Größenordnung weder zu den Massenstudien noch zu den Orchideenfächern. Die erste Phase des Studiums sei die härteste, finden Brenek und Kahr, die ihr Wissen an Erstsemestrige weitergeben. "Von Beginn an wird ausgesiebt, es wird ein unfassbarer Leistungsdruck aufgebaut." Über 80 Prozent schaffen die Steop nicht im ersten Semester.

Gerhard Ecker, als Dekan für Pharmazie an der Uni Wien zuständig, führt die alarmierenden Ergebnisse der Studien auf den veralteten Diplomstudienplan zurück. Von der Studienprogrammleitung erhobene Daten zeigten, dass sich die Studierbarkeit im Bachelor-/Master-System durch realistischere ECTS-Bemessungen und eine Verkürzung der Studiendauer bereits verbessert habe. IHS-Expertin Thaler sieht durch Diplomstudierende hingegen kaum eine verzerrte Aussagekraft der Studien: "Die letzten Zahlen sind von 2019, da gab es den neuen Studienplan seit fünf Jahren, 60 Prozent der Befragten waren damals im Bachelor."

Begehrter Job in Apotheken

Durch die Senkung der Studienplatzzahlen erwartet Dekan Ecker "eine generelle Verbesserung der Studiensituation und einen verantwortlicheren Umgang mit der Lebenszeit von Studierenden". Das hohe Level an Anforderungen sieht er als gute Vorbereitung für den späteren Arbeitsalltag: "Bei 150 bis 200 Kundenkontakten am Tag kann ein einziger Fehler schwerwiegende Folgen haben." Viele zieht es nach dem Abschluss in eine der rund 1400 Apotheken des Landes. Das sei "immer eine gute Option", meint Studierendenvertreter Kahr. Das Angebot in der Industrie sei in Österreich nämlich sehr begrenzt. Ähnlich wie das Interesse der Apothekerkammer an den Studienbedingungen ihres Nachwuchses – auf Anfragen erhielt DER STANDARD zunächst keine Antwort. (*Update siehe unten)

Der Konkurrenzdruck sei jedenfalls groß, berichtet Anja Kohlfürst von ihrem Studium in Graz: "An Lernunterlagen kommt man kaum, manchmal wird dafür Geld verlangt." Dass viele hinschmeißen, weiß sie aus eigener Erfahrung: Von den acht Leuten, die am Anfang in ihrer Lerngruppe waren, sind neben ihr im zehnten Semester nur noch zwei übrig. Zufrieden ist sie mit ihrer Entscheidung zum Pharmaziestudium trotzdem: "Diese naturwissenschaftliche Bandbreite bietet kaum ein anderes Fach." (David Tiefenthaler, 7.3.2022)