Grundstücksbesichtigungen in der virtuellen Welt, ganz gemütlich von der Couch zu Hause aus.

Foto: AFP/SERGIO FLORES

Vor einiger Zeit gab es einen kurzzeitigen Boom, zu besonderen Anlässen ein Grundstück auf dem Mond zu schenken. Man überwies einer dubiosen Firma Geld, die schickte dann so etwas wie eine Kaufurkunde. Fertig war der Deal, der am Ende für den Käufer und den Beschenkten völlig wertlos war.

Ganz so soll es, wenn man den Jüngern des Metaverse glauben soll, beim Kauf von digitalem Land nicht laufen. Beim Metaverse handelt es sich um einen Sammelbegriff für digitale Parallelwelten – davon wird es nämlich nicht eine, sondern mehrere geben. Microsoft arbeitet beispielsweise an einer eigenen, der Konzern Facebook, der mittlerweile Meta heißt, ebenfalls. Daneben gibt es aber auch digitale Welten, die schon länger existieren. Decentraland ist so eine. Seit 2017 ist die 3D-Welt für Userinnen und User frei zugänglich. Zuerst erstellt man einen Charakter, danach kann man sich frei bewegen, Spiele spielen und etwa mit anderen kommunizieren.

Mana regiert Decentraland

Die Welt von Decentraland ist endlich. Sie besteht aus insgesamt 90.601 Parzellen à 16 mal 16 Meter. Wer eine solche Parzelle besitzen will, muss sie kaufen. Das geht mit der Decentraland-eigenen Kryptowährung Mana. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Textes ist ein Mana 2,52 Euro wert.

Die Kryptoseite tokens.com hat im November vergangenen Jahres Land für über zwei Millionen Euro in Decentraland gekauft. 116 Parzellen im "Fashion"-Viertel des Spiels. Was tokens.com mit dem Land anfangen will? Digitale Modeschauen abhalten und Shops eröffnen, in denen Fashion-Labels ihre digitale Mode anbieten können. Der Sportartikelhersteller Adidas hat vergangenes Jahr bereits angekündigt, NFTs, Non-Fungible Tokens, also digitale Stücke, in sein Portfolio mitaufnehmen zu wollen. Die erste Kollektion, bestehend aus 30.000 Stücken, war innerhalb kürzester Zeit ausverkauft.

Geld verdienen

Digitales Land ist also keineswegs nur zum Vergnügen da. Investoren wollen damit Geld machen. Ob nun mit Geschäften, Kasinos oder auch digitalen Kunstgalerien. Alles, was derzeit zweidimensional auf Smartphone-Bildschirmen passiert, soll in Zukunft in 3D stattfinden. Ein virtuell begehbares Amazon also.

Damit ist schon einmal geklärt, dass im Digitalen auch Prinzipien aus der echten Welt gelten. Ein erstes also: Grundstücke müssen sich lohnen, man muss mit ihnen Geld verdienen können. Die Lebenssimulation Second Life war vor Jahren bereits ebenfalls so weit. Bis die Userinnen und User merkten, dass es doch nicht so viel Spaß macht, sich virtuell zu treffen, und Investoren merkten, dass sie so kein Geld verdienen können. "Der technische Fortschritt, also vor allem die Einbindung von Augmented und Virtual Reality, dürfte dem Metaverse da weiterhelfen", sagt Katarina Ivankovic, Chief Sales Officer beim deutschen Institut Innovatives Bauen, die sich schon länger mit verschiedenen Metaversen und der Immobiliensituation darin auseinandersetzt.

Alle reden von Potenzial

Und wie im echten Leben gilt: Lage, Lage, Lage. Parzellen, die näher an der Genesis Plaza liegen – einem Park in der Mitte, in den Spielende zu Beginn geworfen werden –, sind teurer als welche, die weiter weg sind. Parzellen an Straßen sind freilich auch unbeliebt.

Ob die Metaversen einschlagen werden, weiß niemand – und trotzdem werden von Menschen, die ans Potenzial glauben, Millionen investiert. Expertinnen und Experten sprechen von Investitionen mit dem größten Risiko, weil niemand wirklich weiß, ob, wann und in welchem Ausmaß die Welt des Metaverse unsere Gesellschaft beeinflussen wird.

Abhängen dürfte der Erfolg auch von der Gunst der Macher. Ja, Decentraland ist aktuell begrenzt. Das bedeutet aber nicht, dass es künftig nicht erweitert werden könnte. Auch wenn Expertinnen und Experten davon überzeugt sind, dass eine Erweiterung nicht im Sinne der Macher wäre – Grundstücke würden durch eventuelles Überangebot an Wert verlieren.

Keine physikalischen Grenzen

Und das Prinzip "Lage, Lage, Lage" funktioniert auch nur so lange, bis es eine Möglichkeit gibt, schneller von A nach B zu kommen als zu Fuß. Anders gesagt: Wenn ich mich aus Mistelbach in einer Millisekunde auf die Kärntner Straße teleportieren kann, dürften Immobilien im ersten Bezirk um einiges an Wert verlieren. Was man nicht vergessen darf: Eine digitale Welt muss keinen physikalischen Gesetzen folgen. Ein Fakt, den die Investoren vor allem bei der Architektur ihrer Gebäude immer wieder hervorheben. Ein Entwickler kann die Parameter so setzen, dass sie es tut, ja. Aber er kann es auch ganz schnell wieder rückgängig machen.

Ivankovic sieht das, sollte es denn überhaupt so weit kommen, etwas anders: "Sobald man sich teleportieren kann, ist zwar die Reisezeit kein entscheidender Faktor mehr, dafür aber die Wahrnehmung. Ähnlich wie bei einer Banner-Werbung, will man mit den Stores gesehen werden. Und das passiert nur an Orten, wo Menschen auch durchflanieren, beispielsweise durch das Fashion-Viertel."

Steigende Preise

Wer jetzt noch einsteigen will, könnte ein bisschen spät zur Party sein. Ein Ein-Parzellen-Grundstück, nicht direkt an einer Straße gelegen, nicht an einem Park, irgendwo im Nirgendwo kann etwa für 9.588 Mana gekauft werden – das sind umgerechnet rund 20.000 Euro. Ein Grundstück der gleichen Größe in der Nähe der "Dragon City" wird für 100.000 Mana angeboten – rund 210.000 Euro.

Kommt da eine gewaltige Blase auf uns zu? "Das kommt darauf an, wie man das Wort Blase definiert. Wenn morgen die Metaversen abgedreht würden, könnten Sie Tausende von Leuten auf der Straße fragen, die alle nicht davon betroffen wären", sagt Ivankovic. Sollte das Metaverse eine ähnliche Entwicklung wie das Internet durchmachen, sei das aber eine ganz andere Sache.

Blockchain sei Dank

Einen entscheidenden Unterschied zu unnützen Mondgrundstückszertifikaten hat das digitale Land: die Blockchain-Technologie. In einer Blockchain werden laufend Datenblöcke aneinandergereiht. Sie sind kryptografisch signiert und können fast nicht manipuliert oder nachträglich verändert werden. So vergänglich das Internet sonst ist: Was in die Blockchain kommt, das bleibt auch dort.

Es gibt dieses Land also wirklich. Und wenn man es einmal besessen hat, ist es fast unmöglich, dass es einem gegen seinen Willen entwendet wird. Ob der Markt rund um dieses existierende, aber virtuelle Land nun fruchtet oder als Blase zerplatzt, wird sich zeigen. (Thorben Pollerhof, 15.3.2022)