Wolfgang Mückstein verabschiedete sich am vergangenen Donnerstag als Gesundheitsminister.

Foto: Christian Fischer

Wenn das Einsatzkommando Cobra zu einer Werkschau in die Einsatzzentrale bei Wiener Neustadt lädt, ist immer für Action gesorgt. Neben waghalsigen Abseilübungen am Kletterturm und Fallschirmsprüngen mit punktgenauen Landungen geben die Spezialkräfte für heikle Einsätze auch Einblicke in das Personenschutztraining.

Dabei werden etwa mit quietschenden Reifen Fahrzeuge gestoppt, Insassen überwältigt und am Boden fixiert. Doch zum Üben kommen die rund 450 Männer und (wenigen) Frauen der Cobra derzeit eher weniger. Der Bedarf für den Ernstfall ist in den vergangenen zwei Jahren drastisch gestiegen. Immer mehr Politikerinnen und Politiker erhalten zumindest temporär Bewachung, weil sie auf Social-Media-Plattformen anonyme Morddrohungen erhalten.

Wie belastend derartige Drohungen und auch die vom Staatsschutz koordinierten Vorsichtsmaßnahmen für Betroffene sind, zeigt der jüngste Rücktritt von Wolfgang Mückstein (Grüne) als Gesundheits- und Sozialminister. In seiner Begründung hieß es unter anderem: "Wenn man das Haus nur noch unter Polizeischutz verlassen kann, hält man das nicht lange aus."

Zunahme der Aggressivität

Schon sein Vorgänger Rudolf Anschober (Grüne), der vor nicht einmal einem Jahr seine Funktion zurückgelegt hat, hat die "Zunahme der Aggressivität" eines kleinen Teils der Bevölkerung als besonders belastend bezeichnet. Auch er konnte sich, wie zuletzt Mückstein, zu bestimmten Zeiten nur unter Polizeischutz in der Öffentlichkeit zeigen und hatte Aufpasser im Umfeld seiner Privatsphäre. In beiden Fällen kamen die Morddrohungen aus dem Lager radikaler Corona-Leugner.

Drohungen mit Mord und Gewalt haben in jüngerer Vergangenheit auch Justizministerin Alma Zadić (Grüne), Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) und während seiner Zeit als Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) erhalten. Ex-Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) musste seine Mobiltelefonnummer wechseln, nachdem im Zuge der Chataffäre auch seine Telefonnummer an die Öffentlichkeit gelangt war und er Drohungen per SMS erhalten hatte.

Mit Hass und Morddrohungen waren auch schon FPÖ-Chef Herbert Kickl und zuletzt der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) konfrontiert. Unfreundlichkeiten und Beschimpfungen mussten Politikerinnen und Politiker schon immer ertragen, doch Drohungen mit Gewalt rufen immer öfter den Staatsschutz auf den Plan.

"Holt ihn raus!"

Auch Gemeindepolitikerinnen und -politiker werden zunehmend bedroht: "Es ist nicht lustig, wenn am Abend plötzlich hundert Leute vor deinem Privathaus stehen und ‚Holt ihn raus‘ skandieren", sagt auf STANDARD-Anfrage ein Bürgermeister aus Niederösterreich, der lieber anonym bleiben will. Er befürchtet jedenfalls, dass dieses Klima dazu führen könnte, dass sich künftig weniger Menschen auf Gemeindeebene engagieren. Nach dem Motto: "Warum soll ich mir das antun?"

Generell gilt in Österreich seit dem Terroranschlag von Wien am 2. November 2020 erhöhte Alarmbereitschaft bei den Sicherheitsbehörden. Nach dem Anschlag am Vorabend des zweiten Corona-Lockdowns, bei dem vier Menschen ermordet und der Attentäter erschossen worden waren, wuchs auch ein anderes Bedrohungsszenario immer massiver: das rechtsextreme Lager in der vielschichtigen Corona-Leugner-Szene. Schon vor einem Jahr hieß es aus dem Innenministerium, dass die rechtsextreme Szene bei den sogenannten Coronademos nicht nur mitmarschiere, sondern die Aufmärsche mittlerweile mitorganisiere und neue Leute rekrutiere.

Massiver Anstieg rechtsextremer Straftaten

Aus der aktuellen Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der SPÖ-Abgeordneten Sabine Schatz an Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) geht hervor, dass Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund in der Pandemie massiv gestiegen sind. Natürlich sind diese nicht alle im Corona-Demo-Milieu zu finden, aber sehr viele eben doch.

2021 wurden österreichweit 1053 Tathandlungen mit rechtsextremem Hintergrund registriert, 2020 waren es 895. Auch die Anzahl von Personen, die nach dem NS-Verbotsgesetz angezeigt wurden, stieg von 810 auf 998.

Auch das Innenministerium nahm zu den in der Anfragebeantwortung gestiegenen Zahlen am Freitag Stellung: Das strafbare Verhalten sei vorwiegend durch "aktive Ermittlungen der Polizei " zu Tage getreten. "Die Steigerung der Strafbaren Handlungen nach dem Verbotsgesetz lässt sich daher auf die intensiven Ermittlungen in diesem Bereich zurückführen. Ebenso auf ein konsequentes Einschreiten im Rahmen von Demonstrationen der Corona-Maßnahmengegner", hieß es in einer Aussendung.

Anzeige gegen Küssel-Wirt

Eine Anzeige nach dem Verbotsgesetz brachte diese Woche auch die Plattform "Stoppt die Rechten" ein. Und zwar gegen jenen Wirt im niederösterreichischen Ternitz, in dessen Lokal sich trotz fehlender Betriebsstättengenehmigung Rechtsextreme und Corona-Leugner trafen. Der Bürgermeister von Ternitz hatte deshalb in einem offenen Brief Karner um Hilfe gebeten – DER STANDARD berichtete.

Der Wirt soll auch einen verbotenen, den Holocaust leugnenden NS-Propagandafilm auf seinem Telegram-Kanal geteilt haben und diesen auch auf Anraten anderer User hin nicht gelöscht haben. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Am Freitag postete der Verschwörungsideologe Manuel Mittas, dessen Partyvideo mit dem Neonazi Gottfried Küssel vor einigen Wochen für Aufregung gesorgt hatte, ein Foto von sich, Küssel und Monika Donner, der einschlägig bekannten Ex-Mitarbeiterin im Verteidigungsministerium. Es zeigt die Runde beim gemeinsamen Stricken in besagtem Lokal in Ternitz.

Die genaue Anzahl von Personenschutzeinsätzen wird vom Innenministerium nicht bekanntgegeben. "In Österreich haben der Bundespräsident, der Bundeskanzler, der Innenminister und anlassbezogen gefährdete Minister Personenschutz", heißt es auf Anfrage. Die rechtlichen Grundlagen dafür seien im Sicherheitspolizeigesetz verankert, die Anordnung erfolge durch die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN).

Auch bei Staatsbesuchen ist die Polizei dazu verpflichtet, für deren persönliche Sicherheit zu sorgen. Beim Besuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin im Juni 2018 in Wien waren 800 Beamte plus eine nicht weiter bezifferte Reserve im Einsatz. (Colette M. Schmidt, Michael Simoner, 5.3.2022)