An 1,80 Euro pro Liter Benzin werden sich Autofahrer vermutlich gewöhnen müssen, der Diesel ist inzwischen teurer als Benzin.

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Die Rohölpreise steigen und steigen – und mit ihnen die Kosten für Benzin, Diesel, Heizöl, Schweröl, Kerosin und viele verarbeitete Chemieprodukte. Bei den beiden wichtigen Ölsorten Brent und WTI erklommen die Notierungen im weltweiten Großhandel am Montag Höhen wie zuletzt nach der Finanzkrise vor 14 Jahren. Dabei ist die durch Energie getriebene Inflation bereits erheblich.

Frage: Welche Rolle spielt Russland auf dem internationalen Ölmarkt?

Antwort: Die Russische Föderation ist ein Gigant im Ölgeschäft. Wie bei Gas, Kohle und Metallen leitet sich daraus eine enorme Marktmacht ab. Die Abkehr von fossilen Ressourcen, die der Klimawandel nötig macht, braucht Zeit. Moskau hat also einen geopolitischen Trumpf in der Hand. Bei den weltweiten Erdölressourcen lag das größte Land der Welt laut Daten der deutschen Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) im Jahr 2020 mit knapp 85 Milliarden Tonnen auf Rang zwei hinter den USA (118 Mrd. Tonnen). An der Förderung 2015 bis 2020 hatten die USA mit 17,9 Prozent den größten Anteil, gefolgt von Russland mit 12,3 Prozent und Saudi-Arabien (zwölf Prozent).

Frage: Was bedeutet der Krieg Russlands gegen die Ukraine für den Welthandel?

Antwort: Industriekapitäne befürchten ein "dunkles Jahr". Der nach der Corona-Krise wieder in Fahrt gekommene Welthandel verzeichnet erste Dämpfer. Nach Berechnungen des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel brach er innerhalb weniger Tage ein. Für Februar gehen die IfW-Ökonomen in ihrem Frühindikator von minus 5,6 Prozent aus – der größte Einbruch seit Frühjahr 2020. Unsicherheit, Sanktionen und vermehrte Warenkontrollen zur Einhaltung der Sanktionen scheinen den Handel bereits nachhaltig zu beeinträchtigen, sagte IfW-Volkswirt Vincent Stamer. Die Sanktionen verstärkten diesen Trend. Die russischen Exporte schrumpften um 11,8 Prozent. Allein im größten Containerhafen St. Petersburg seien im Februar 17 Prozent weniger Güter verschifft worden. "Der Krieg in der Ukraine wirkt inflationstreibend und wachstumsabschwächend. Wir bewegen uns in Richtung Stagflation", attestiert Wifo-Chef Gabriel Felbermayr.

Die Preise an Tankstellen werden nicht mehr von Hand ausgetauscht. Das geht elektronisch und wird zunehmend zur Belastung der Verbraucher.
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Frage: Wie lang wird es dauern, bis es zu Rückgängen und Ausfällen in der Produktion kommt?

Antwort: Im großen Stil dürfte dies erst in einigen Monaten eintreten, sagt IfW-Volkswirt Stamer. Ausnahmen bestätigen diese Regel aber, in der Autoindustrie kommt es bereits zu Stillständen, etwa weil Kabelbäume aus der Ukraine nicht mehr geliefert werden. Solang fossile Brennstoffe geliefert werden, sei ein Ausfall des Handels mit Russland für Europa aber verkraftbar.

Frage: Was würde ein Ölembargo gegen Russland, wie es diskutiert wird, bedeuten?

Antwort: Für Russland wäre das sehr, sehr hart, sagt Wifo-Chef Felbermayr, weil seine Deviseneinnahmen aus dem Ölverkauf doppelt so hoch sind wie die aus dem Erdgasverkauf. Den Ölpreis würde ein Stopp zunächst stärker nach oben treiben. Eine deutliche Verknappung des Angebots scheint allerdings bereits eingepreist: Der Rohölpreis stieg seit dem russischen Überfall bereits um ein Drittel.

Frage: Sind die Spritpreise in Österreich bereits auf Rekordwert?

Antwort: Laut Beobachtungen des ÖAMTC wurden am Montagnachmittag mit durchschnittlich etwa 1,75 Euro für einen Liter Diesel und 1,70 Euro für Superbenzin neue Höchstwerte erzielt. Die bisherigen Rekordmarken sind jedoch zehn Jahre alt, stammen also aus dem Jahr 2012. Rechnet man den Effekt von einer Dekade Geldentwertung dazu, fielen die alten Rekorde mit inflationsbereinigt etwa 1,775 Euro für Diesel und vor allem 1,826 Euro für Super doch stärker ins Gewicht. 1,80 Euro pro Liter Sprit könnte der "Normalpreis" werden. Bereits jetzt werden an den teuersten Autobahntankstellen bis zu 2,099 verlangt.

Wer kann, lässt sein Auto stehen und steigt auf Öffis um, auch, um das Konto in Sachen Spritpreis zu schonen.
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Frage: Was treibt den Spritpreis nach oben?

Antwort: Neben den enorm gestiegenen Kosten für Rohöl, das mit knapp 140 US-Dollar (128 Euro) pro Fass der für Europa maßgeblichen Nordsee-Sorte Brent den höchsten Preis seit 2012 erreicht hat, spielt vor allem die Aussicht auf künftig zu erwartende Engpässe aufgrund des russischen Aggressionskriegs in der Ukraine eine (preis-)treibende Rolle. Hinzu kommen die Raffineriemargen und der schwache Euro, der Rohöl im Einkauf um rund fünf Prozent verteuerte. Die Einheitswährung büßte gegenüber dem Dollar zuletzt deutlich ein, was die in Dollar gehandelten Rohstoffe hierzulande zusätzlich verteuert.

Frage: Sollte die Regierung gegen die Preisanstiege etwas unternehmen?

Antwort: Hauptsächlich bei Abgaben und Steuern, mahnt der ÖAMTC und fordert das Aussetzen des CO2-Preises, der ab Juli Diesel mit fast neun und Benzin mit knapp acht Cent je Liter belasten würde. Auch die Mineralölsteuer könnte gesenkt, Pendlerpauschale und Kilometergeld erhöht werden. Wirtschaftsforscher halten derartiges für nicht zielführend. Das Aufschieben der CO2-Aufschläge bringe nicht viel, denn angesichts der enormen Preissteigerungen bei Öl und Gas falle der CO2-Preis kaum ins Gewicht. "Außerdem ist der Klimabonus großzügiger als die CO2-Bepreisung", sagt Wifo-Chef Felbermayr. Er hält eine Senkung der Elektrizitätsabgabe auf das EU-Minimum für sinnvoller, das helfe Haushalten und Betrieben. Für die energieintensive Industrie könnte man die Härtefallregel ausbauen. (Alexander Hahn, Luise Ungerboeck, 7.3.2022)