Wien – Mitte Mai 2021 übertrug der ORF in seiner TVThek den Parteitag der jungen ÖVP, DER STANDARD berichtete. Das Signal kam von der ÖVP. Der ORF-Redakteursrat übte damals heftige Kritik an der Aktion. "Aus unserer Sicht gab es keinen journalistisch relevanten Grund, den Parteitag der 'Jungen ÖVP' online zu übertragen. Die Übernahme des von der ÖVP selbst produzierten Signals der Veranstaltung sei aus journalistischer Sicht 'völlig untragbar".

Der damals für die TVthek zuständige Online-Chef Thomas Prantner verteidigt die Übernahme des von der ÖVP zur Verfügung gestellten Links, ORF-Journalisten kritisierte das als "politische Wunscherfüllung". Der damalige ORF-General Alexander Wrabetz gab nach der JVP-Debatte eine interne Anweisung: Künftig müsse der Chefredakteur von ORF 2 über Livestreams entscheiden.

RTR sieht ORF-Gesetz verletzt

Jetzt stellte die Medienbehörde KommAustria fest, dass der ORF mit dieser Übertragung das ORF-Gesetz verletzt hat. Der Livestream des Bundestags der Jungen ÖVP würde keine erlaubten sendungsbegleitenden Inhalte darstellen, der ORF habe somit "den gesetzlich zulässigen Rahmen für Online-Inhalte überschritten", heißt es in der Entscheidung der KommAustria, nachzulesen hier auf RTR.at

Binnen sechs Wochen nach Rechtskraft des Bescheids muss der ORF auf seiner TVThek diese Erkenntnis veröffentlichen. Gegen den Bescheid kann der ORF Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht einlegen.

Neos: "Raab muss endlich in die Gänge kommen"

"Die Entscheidung der Medienbehörde KommAustria belegt, dass der ORF wieder einmal als Spielweise für parteipolitische Zwecke missbraucht wurde", sagt Neos-Mediensprecherin Henrike Brandstötter, "der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird von den Regierungsparteien permanent für Eigeninteressen verwendet – von missglückten Impflotterie-Ideen über Personaldeals, wie sie die Sideletter offenbarten, bis hin zur Übertragung von Parteitagen. Der politische Einfluss auf den ORF muss endlich zurückgedrängt werden."

Dafür brauche es "unter anderem auch eine Neuaufstellung des Stiftungsrates, der im Mai neu zu besetzen wird." Brandstötter: "Politische Parteien dürfen darin nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Das längst angekündigte neue ORF-Gesetz liegt auch immer noch nicht vor. Medienministerin Raab muss endlich in die Gänge kommen. Wir müssen endlich eine echte Unabhängigkeit des ORF sicherstellen." (red, 10.3.2022)