Abwegige Ideen? Der Tiroler Theatermacher und Autor Xaver Schumacher beweist in einem Solo großes komödiantisches Talent.

Foto: Postmodern Talking

Die Tiroler Tourismushochburg Ischgl ist vor zwei Jahren zum Synonym für Corona-Missmanagement und Hybris ("Alles richtig gemacht") geworden. Die Satire folgte auf dem Fuß, inzwischen sind Witze und Wortschöpfungen wie "ErwIschgl" (Copyright: Die Tagespresse) gut abgehangen. Was schiebt man da noch hinterher?

Das Stück Ischgl: Aufstand der Pinguine gibt sich mit einer Entschuldigungs-App fürs Handy und einem Pandemiemanager namens Günther Aloys lösungsorientiert. Der Hotelier und selbsternannte Tourismusvisionär hatte einst etwa die Idee, Pinguine als Attraktion im Ischgler Gletschergebiet anzusiedeln. Eine Gedenkshow für die Corona-Toten mit schwarz gefärbten Pisten und einer Time To Say Goodbye singenden Paris Hilton klingt angesichts dessen an diesem Abend gar nicht so abwegig. Überhaupt: Die Pandemie muss zum Event werden! DJ Massentest, Koks auf dem Nasenbohrer-Staberl und "woke" Panoramawege rund um gläserne Intensivstationen inklusive.

Der Theatermacher und Autor Xaver Schumacher aka Franz-Xaver Franz ist als Host des originellen Talk-Formats "Postmodern Talking" aktiv. Aus diesem Kollektiv heraus sind bereits einige Theaterproduktionen entstanden, darunter eine über die Ausbeutung migrantischer Erntehelfer in Tirol. Im Kulturlabor Stromboli in Hall stand nun die Tirol-Premiere von Ischgl unter der Regie von Meera Theunert auf dem Programm.

Das Verhältnis von Politik und Boulevard

Es basiert jedenfalls der Ankündigung zufolge auf Recherchen zur Situation der Saisonarbeiter im Tourismus. Diese Ergebnisse scheinen auf der Reise von Wuhan über Bergamo bis nach Tirol aber aus dem Rollkoffer-Requisit gepurzelt zu sein. Schade drum. Das Thema bleibt eine Randnotiz. Dafür schweift Schumacher in Skianzug und Taucherflossen und mit unbestrittenem komödiantischem Talent in alle möglichen Richtungen aus: Das Theatersolo entpuppt sich als eine Mischung aus Geschichtsstunde und Polit-Kabarett sowie als bitterböse Abrechnung mit dem Verhältnis von Politik und Boulevard, mit dem österreichischen Hang zur Täter-Opfer-Umkehr, mit selektiver Willkommenskultur, mit Judensternen auf der Brust von Corona-Leugnern und, und, und.

Schon klar, dass alles irgendwie mit allem zusammenhängt, man muss es aber auch zusammenhalten können. Mehr Fokussiertheit auf das Grundthema hätte geholfen. Trotzdem ist vieles gelungen, herrlich die sprachwissenschaftlichen Analysen von Après-Ski-Hits: "Tschüss Niveau". Zwischendurch kommt einem der 2019 verstorbene Volkskundler und Tourismuskritiker Hans Haid in den Sinn, der nicht viele Worte brauchte, um das Verhältnis zwischen Tirolern und Touristen zu beschreiben: "Keemet und schpeibet, kommt und erbrecht euch."

Ein paar Jahrzehnte später reimt sich Schatzi-Bar auf Antifa. Ab Mitte Juni dann im Innsbrucker Treibhaus, wo der Aufstand der Pinguine in die zweite Runde geht. (Ivona Jelcic, 12.3.2022)