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EU-Ratspräsident Charles Michel, Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geben die Richtung vor.

Foto: AP / Michel Euler

Die Europäische Union setzt bei der Konfliktlösung weiterhin ganz auf einen Mix aus diplomatischen Bemühungen einerseits und harten Wirtschaftssanktionen gegen Russland andererseits. Das wurde beim Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs im Schloss Versailles bei Paris mehr als deutlich.

Zwar liefern einzelne Staaten der Ukraine militärisches Material, von Schutzausrüstung bis hin zu Munition und Panzerabwehrkanonen – aus dem EU-Budget werden dafür weitere 500 Millionen Euro freigemacht, insgesamt also eine Milliarde Euro, wie der Außenbeauftragte Josep Borrell bekanntgab. Aber: So wie auch im Falle der Nato gibt es auch in der EU kein direktes militärisches Eingreifen eines Landes. Man fürchtet einen nuklearen Gegenschlag Russlands, "einen Dritten Weltkrieg", wie Bundeskanzler Karl Nehammer sagte, der zur Besonnenheit aufrief.

Schwierige Kompromisse

Viele Diplomaten wiesen auf die besondere historische Note des Tagungsorts hin. In Versailles sind die Säle voll mit Gemälden von Schlachten und Kriegen Frankreichs. Die EU-Chefs konferierten in einem Saal unweit des Schlafzimmers von Sonnenkönig Ludwig XIV. Dort wurde 1919 der Friedensvertrag von Versailles nach dem Ende des Ersten Weltkriegs proklamiert, Europa von den späteren Völkerbundmächten neu geordnet.

Im Jahr 2022 wehte auf dem Fahnenmast über dem Schloss die französische Flagge gemeinsam mit der Europaflagge. Man konnte das durchaus als Hinweis darauf verstehen, dass die 27 EU-Staaten sich in Sachen Russland und Ukraine als Einheit verstehen, ihre großen Interessengegensätze im Kompromiss auf einen Nenner gebracht haben.

Dazu gehört, dass die EU – anders als die USA und Großbritannien – kein totales Embargo über russisches Öl und Gas verhängt. Man kam lediglich überein, schrittweise die Energieabhängigkeit Europas von Moskau zu reduzieren. Das soll durch alternative Einkäufe von Flüssiggas auf dem Weltmarkt sowie durch Beschleunigung der Wende zu nach haltiger Energie zwecks Ausstieg aus fossiler Energie bewerkstelligt werden.

EU-Beitritt

Es besteht aber natürlich die Sorge, dass Letzteres wegen der Energieknappheit nicht so gut gelingt wie gedacht. Manche Länder erwägen die Wiederbelebung von Atomenergie, wie Deutschland, oder eine Verlängerung der Kohlekraftwerke.

DER STANDARD

Die Auswirkungen der EU-Sanktionen auf die Europäer müssten "möglichst gering" sein, hatte etwa der deutsche Kanzler Olaf Scholz bereits am Donnerstagabend erklärt. Ungarns Premier Viktor Orbán wurde Freitagfrüh noch deutlicher: Es werde diesbezüglich keinen Beschluss geben, sagte er per Facebook-Video: "Die Energielieferung an Ungarn ist also sicher", so der ungarische Regierungschef, der Anfang April in seinem Land Wahlen zu schlagen hat.

Ein spezielles Problem ist der Wunsch Kiews auf raschen EU-Beitritt, der vor allem von den Osteuropäern unterstützt wird. Aber weil die Ukraine nicht beitrittsreif ist, wie etwa die Niederlande oder Deutschland finden, kommt das nicht infrage. Man vereinbarte lediglich, dass die Ukraine prioritär behandelt wird – als ein für die Union "wichtiges Land".

Für Aufsehen sorgten zwischendurch Berichte deutscher Medien, wonach der in Österreich gut vernetzte Oligarch Oleg Deripaska von ersten Entwürfen für Sanktionslisten gegen Russland gestrichen worden sei. Sowohl das Außenministerium in Wien als auch Kanzler Karl Nehammer in Versailles widersprachen vehement Gerüchten, wonach Österreich Deripaska auf diesen Listen habe verhindern wollen. Wien habe die vom Hohen Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik Josep Borrell vorgeschlagenen Listungen in keiner Weise beeinsprucht und diese "vollumfänglich mitgetragen".

Iran-Gespräche in Wien betroffen

Die Ukraine-Krise hat zu einer "Pause" bei den Wiener Atomverhandlungen mit dem Iran geführt. Russland hatte zuletzt Garantien verlangt, dass die "aggressiven Sanktionen" des Westens im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg nicht die russische technische und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem Iran beeinträchtigen.

Deshalb wurden die Gespräche am Freitag unterbrochen, die Delegationsleiter fuhren zu Konsultationen in ihre Hauptstädte zurück. Der russische Chefverhandler Mikhail Ulyanov sagte in Wien, es gehe "nicht nur" um Russland, und gab damit indirekt zu, dass Moskau sich querlegt. Zwischen dem Iran und den USA sollen laut dem EU-Koordinator der Gespräche, Enrique Mora, nur noch "Fußnoten" offen sein. (Thomas Mayer aus Versailles, Gerald Schubert, Gudrun Harrer, 11.3.2022)