Verteidigungsministerin Klaudia Tanner ist keine Quereinsteigerin, sondern eng in die türkise Führungsspitze integriert.

Foto: Bundesheer / Carina Karlovits

Es sollte die größte Bundesheerreform seit dreißig Jahren werden – aber die Reorganisation läuft nicht so glatt über die Bühne, wie sich das die Führungsspitze des Verteidigungsministeriums gewünscht haben dürfte.

Wie DER STANDARD vergangene Woche berichtet hat, zeigt sich etwa die Präsidentschaftskanzlei äußerst skeptisch. Thomas Starlinger, der Adjutant von Bundespräsident Alexander Van der Bellen, warnte in einer E-Mail sogar vor einer "massiven Gefährdung der Einsatzfähigkeit" des Bundesheeres, sollte Ministerin Klaudia Tanner (ÖVP) die Reform durchziehen.

Aber auch intern rumort es im Heer ordentlich – aus vielerlei Gründen. Der Reformplan sieht die Schaffung dreier mächtiger Generaldirektoren vor – und deren Leitungsposition sei laut Insidern, die anonym bleiben wollen, exakt auf die drei wichtigsten Berater Tanners zugeschnitten.

Maßgeschneiderte Posten

Der wohl wichtigste Posten ist die Leitung der Generaldirektion für Landesverteidigung, der neun Direktionen unterstehen werden. Auf diese Stelle soll Rudolf Striedinger, Tanners einstiger Generalstabschef, ein Auge geworfen haben. Er leitet momentan die Gesamtstaatliche Covid-Krisenkoordination Gecko und fiel dort mit dem Tragen eines "Tarnanzugs" sowie martialischer Sprache auf. Früher war der ÖVP-nahe Generalmajor Abwehramt-Chef.

Rudolf Striedinger war einst Leiter des Abwehramts, dann Stabschef bei Tanner.
Foto: Imago / SEPA.Media / Martin Juen

Im Verteidigungsministerium soll es in der neuen Struktur dann zwei zivile Generaldirektionen geben.

Zum einen wäre da die Generaldirektion für Präsidial- und Personalverwaltung: Hier sollte dem Vernehmen nach Tanners Generalsekretär Dieter Kandlhofer zum Zug kommen. Der Jurist arbeitete lange beim Verfassungsgerichtshof und wurde dann unter Sebastian Kurz in die Politik geholt. Der frühere Kanzler machte ihn zu seinem Generalsekretär, in dieser Funktion sei er unter anderem an der umstrittenen engeren Anbindung der Statistik Austria ans Kanzleramt beteiligt gewesen.

Vorwürfe gab es auch, weil ein Unternehmen, an dem er beteiligt war, am türkisen "Familienfest" mitverdiente, das von Ministerien bezahlt worden war. Allerdings soll der Widerstand gegen Kandlhofer, der keine militärische Erfahrung hat, so groß sein, dass das Ministerbüro nun auf der Suche nach einem ÖVP-nahen hochrangigen Militär für diese Position sei. Dafür könnte Kandlhofer in Richtung einer Position in einem Höchstgericht aufsteigen.

Reform der Reform

Im Zuge der Reform soll sich übrigens ein Problem aufgetan haben: Die angeblich für Kandlhofer geplante Stelle sei "zu gering" bewertet worden, man hätte dort also zu wenig verdient. Deshalb sei die Reform reformiert worden, sodass nun plötzlich auch nachgeordnete Stellen – denen etwa Portiere oder Reinigungskräfte zugeteilt waren – in die Direktion verschoben wurden. Plötzlich sei die Leitungsfunktion wieder so bewertet worden, dass ein fünfstelliges Gehalt möglich sei; nur müssten dafür über dreißig Paragrafen geändert werden.

Dieter Kandlhofer war einst Generalsekretär bei Kanzler Kurz, jetzt bei Tanner.
Foto: Bundesheer / Pusch

Einen fünfstelligen monatlichen Betrag verdient künftig auch der Leiter der geplanten Generaldirektion für Verteidigungspolitik, für die Tanner offenbar ihren früheren Kabinettschef Arnold Kammel im Blick hat. Er war einst im ÖVP-nahen Thinktank AIES aktiv, dann Referent im Kabinett von Gernot Blümel, als dieser Kunstminister war.

Vorbild Innenministerium?

Kurzum: Im Heer und bei der Opposition fürchten einige, dass Tanner eine massive Umfärbung des Bundesheeres und des Verteidigungsministeriums plant. Für Manfred Haidinger, Präsident der Bundesheergewerkschaft, weckten die Pläne sogar Erinnerungen an den früheren Innenminister Ernst Strasser (ÖVP), der ab dem Jahr 2000 sein Ressort zur ÖVP-Bastion umbaute.

Damals in Strassers Kabinett: die heutige Verteidigungsministerin Klaudia Tanner ebenso wie der heutige Innenminister Gerhard Karner. Tanner ist auch anderweitig eng in die türkisen Strukturen eingebunden: Ihr Schwager ist Stefan Steiner, seines Zeichens Chefstratege der ÖVP und derzeit Beschuldigter in der Causa Umfragen – es gilt die Unschuldsvermutung. Stellvertretende Kabinettschefin Tanners war Katharina Nehammer, Ehefrau des jetzigen Kanzlers. Tanner, die Nehammers und die Familie von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner waren zuletzt gemeinsam auf Skiurlaub – eine Tradition der drei Familien.

All das wird im Haus mit Argusaugen beobachtet. Personalvertreter, die der Opposition nahestehen, beklagen auch, dass erste Schritte der Reform bereits umgesetzt wurden, ohne dass dafür die rechtliche Grundlage geschaffen wurde. Das führt zu einer bizarren Situation: In der künftigen Struktur sind viele Mitarbeiter dienstrechtlich nicht mehr Verteidigungsministerin Klaudia Tanner, sondern einem Generaldirektor für Landesverteidigung unterstellt. Das wird auch jetzt schon so gehandhabt, obwohl faktisch der alte Zustand herrscht. Vom Budgetplan ganz zu schweigen: Dort sind noch Stellen angeführt, die es schon jetzt gar nicht mehr gibt.

Widerstand und Ränkespiele

Die komplizierte neue Struktur kritisierte auch Starlinger, der Adjutant des Bundespräsidenten, der in der Expertenregierung Bierlein selbst Verteidigungsminister war. Er warnte vor einer "Verkomplizierung der Arbeitsbeziehungen", nun soll er laut Verteidigungsministerium in die Reform "aktiv eingebunden" werden.

Es gibt im Haus aber auch andere Stimmen, die darauf hinweisen, dass ein fließender Übergang bei einer Organisationsstruktur normal sei. Ebenso sei es zur Aufwertung mancher Bereiche gekommen; die Sanitätsangelegenheiten seien zuvor zerstreut gewesen, ebenso IKT.

Offiziell betonen Verteidigungsressort und Präsidentschaftskanzlei ohnehin, sich in konstruktiven Gesprächen zu befinden. "Das Ziel ist die Truppe zu stärken und die Verwaltung zu verschlanken", heißt es aus dem Büro von Tanner zur Reform. Man befände sich in Gesprächen mit dem BMKÖS, also dem Ministerium von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) bezüglich der konkreten Neugestaltung. Das hat ein Mitspracherecht, weil dort die Agenden für öffentliche Verwaltung angesiedelt sind.

Der Ukraine-Konflikt verschärft die Dringlichkeit der Reform allerdings deutlich. So betonte Generalstabschef Robert Brieger, der derzeit de facto die Stelle des Generaldirektors für Landesverteidigung einnimmt, aber im Juni nach Brüssel wechseln wird, dass das Heer sechs bis zehn Milliarden Euro benötige. Es gebe "keinen Bereich, der keinen Modernisierungsbedarf" habe, sagte Brieger zur Nachrichtenagentur APA. Auch Tanner hielte zehn Milliarden Euro für "sehr schön". (Fabian Schmid, 12.3.2022)