Amfortas (Ralf Lukas) ist wütend, hat Schmerzen, er will den Gral nicht enthüllen, der den Rittern Kraft spendet.

Foto: Reinhard Winkler

Dieser reine Tor, Parsifal, bekommt in der Linzer Inszenierung von Stephan Suschke reichlich Gelegenheit, seine Ratlosigkeit, sein anfängliches Unverständnis bezüglich der Welt, die ihn umgibt, zu demonstrieren. Parsifal, der spätere Erlöser, erkennt am Linzer Musiktheater ja nicht einmal seine Mutter.

Das ist zwar von Richard Wagner in seinem letzten Werk auch nicht so geplant, da Mama Herzeleide nicht leibhaftig, sondern nur in erinnernden Erzählungen vorkommt. In der Regie des Linzer Schauspielchefs Suschke ist allerdings manches anders, was das Auftreten der Figuren anbelangt. Nicht nur Mutter ist von Anbeginn an strickend zugegen, während ihr kleiner Junge auf einem Holzpferdchen schaukelt (Parsifal als Kind). Neben dem verwundeten Amfortas (kernig-souverän Martin Achrainer), der alle um Erbarmen anfleht, ist auch sein Vater auf der Bühne präsent. Es torkelt also auch Titurel herum (William Mason), der seinen Sohn Amfortas mitleidslos zur rettenden Gralsenthüllung drängt.

Es lungert in der Säulenhalle (Bühne: Momme Röhrbein) anfänglich tatsächlich sogar auch der düstere Klingsor mit dem Speer, den er einst Amfortas entriss, inmitten der schwächelnden Rittergesellschaft. Das ist kühn. An sich gehört dem Bösewicht (profund Adam Kim) ja der zweite Akt, in dem seine Blumenmädchen (hier sind es Sexarbeiterinnen in einem Käfig) Parsifal betören möchten, bis schließlich Kundry die Verführungsaufgabe übernimmt.

Keine volle Klarheit

Diese gleichzeitige Präsenz praktisch aller erdenklichen Figuren ist ein durchaus Spannung erzeugender exzentrischer Kunstgriff. Das oratoriale Bühnenweihfestspiel erlangt dadurch ein paar Facetten, die ungewöhnliche Beziehungen insinuieren, über die zu grübeln lohnt, ohne dass allerdings vollständige Klarheit festgestellt werden kann. Klar und deutlich tritt jedoch die Regiemeinung zu dieser Rittergesellschaft hervor, in der einer wie Gurnemanz quasi als eine Art Gelehrter fungiert (der Beste des Abends Michael Wagner).

Nachdem Amfortas unter Qualen den Gral erstmals enthüllt hat, schmieren sich die Ritter mit Blut ein Kreuz auf ihre nackten Oberkörper. Das zeigt: Sie sind brutale Gesellen, ihr Lebenselixier und -sinn ist das Führen von Kriegen. Hier haftet ihnen dann auch etwas Vampirhaftes an.

Führer Parsifal

Der neue Führer, der angebliche Erlöser, wird am Ende diesen Teufelskreis der Gewalt weiter befeuern, indem er Amfortas’ Rolle übernimmt. Auch überreicht Parsifal (Heiko Börner findet im zweiten Akt zu größter Intensität) dem kleinen Buben am Ende ein Gewehr. Das Karussell der Kriege dreht sich also immer weiter. Nur Kundry stirbt, der Katherine Lerner zarte Linien verlieh – leider zwischendurch auch ein paar schrille dramatische Töne.

Unter der musikalischen Leitung von Markus Poschner entsteht Wagners entrückt-mystischer Instrumentalkosmos als Mischung aus modernen Strukturen und einer besonderen Klangaura. Da sind nach flott genommenem Vorspiel delikate Farbmischungen zu erleben, Entladungen wie auch Momente, in denen das psychedelisch-neblige Element der Musik sich entfaltet. Das blendend disponierte Orchester spielt hier wohl auch seine Erfahrungen mit den Symphonien von Bruckner aus. (Ljubiša Tošic, 14.3.2022)