Das opulente Deckenfresko im Festsaal der Akademie der Wissenschaften malte Gregorio Guglielmi im Jahr 1755.

Foto: ÖAW / Klaus Pichler

Sicher ist: Es wird wieder ein Mann, wenn die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) am Freitag zur Präsidentschaftswahl zusammentritt. Da wird entschieden, wer dem Experimentalphysiker Anton Zeilinger nach dessen zweiter Amtszeit als ÖAW-Präsident folgt: Heinz Faßmann, Christian Köberl oder Michael Rössner (siehe Kurzporträts im Infokasten unten). Sie wurden der Findungskommission von ÖAW-Mitgliedern vorgeschlagen und präsentierten im Jänner ihre Konzepte.

Männerbastion

Zumindest da bleibt also alles beim Alten: In den 176 Jahren ihres Bestehens seit der Gründung 1847 durch Kaiser Ferdinand I. als "k. k. Akademie der Wissenschaften" standen 25 Männer an ihrer Spitze. Was aber sollte anders werden in der Akademie? Wo gibt es Reformbedarf in der ehrwürdigen Institution?

* Gelehrte versus Forschende Gegründet als Gelehrtengesellschaft mit aktuell über 770 Mitgliedern, ist die ÖAW heute die größte Trägerin außeruniversitärer Grundlagenforschung mit 137 Millionen Euro Budget, rund 1.800 Mitarbeitenden und 25 Instituten – von Archäologie über Life-Sciences, die in der Pandemie öffentlich breit bekannt wurden, etwa das Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) mit Ulrich Elling oder das Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM), wo Andreas Bergthaler forschte, bis zur Weltraumforschung.

"Das gehört getrennt", sagt Wissenschaftsforscherin Helga Nowotny im STANDARD-Gespräch: "Der strukturelle Einfluss der emeritierten Herren in der ÖAW ist nicht mehr zeitgemäß. Man braucht einen ganz anderen Blick auf die Forschungswelt, muss voll im Forschungsbetrieb stehen." Die ehemalige Präsidentin des Europäischen Forschungsrats plädiert für das Modell der britischen Royal Society, die keine eigenen Forschungsinstitute unterhält, sich aber sehr aktiv für exzellente Wissenschaft, internationale Kooperation und die Vermittlung der Bedeutung der Wissenschaft für die Gesellschaft einsetze.

Unabhängigkeit statt Freunderlwirtschaft

Auch Mathematiker Peter Markowich, korrespondierendes Mitglied im Ausland, fordert eine "saubere Trennung". In der jetzigen Form sei die ÖAW "nicht mehr zeitgemäß. Das ist das Prinzip der alten Ostblock-Akademie. Kein westliches Hochtechnologieland hat das so organisiert. Die Institute müssen völlig unabhängig sein." Ein Grund dafür sei "Freunderlwirtschaft: Da geht es um zu viel Geld und Macht, die in inneren Zirkeln aufgeteilt werden können mit wenig Kontrolle von außen."

Der Philosoph Jürgen Mittelstraß, ehemaliger Vorsitzender des Österreichischen Wissenschaftsrats und auch korrespondierendes ÖAW-Mitglied, rät zu einer Neuausrichtung als "Arbeitsakademie", die die Forschungsinstitute forschen lässt "und selbst ein Ort der Selbstreflexion wird, an dem die Wissenschaft über sich selbst nachdenkt. Das ist in einer wissenschafts- und technologiegestützten Gesellschaft wichtiger denn je."

* Klassengesellschaft Ein potenzielles Reformthema ist auch die, wie Markowich sie nennt, "Zwei- bzw. Dreiklassengesellschaft" der ÖAW: Es gibt zwei Gelehrtenklassen, die mathematisch-naturwissenschaftliche und die philosophisch-historische, und daneben die Junge Akademie. Außerdem noch unterschiedliche Kategorien an Mitgliedern: wirkliche, korrespondierende im In- und Ausland sowie Ehrenmitglieder. Wissenschaftstheoretiker Mittelstraß dazu: "Ich plädiere immer für eine klassenlose Akademie, die die besten Köpfe versammelt." Damit rennt er bei Markowich offene Türen ein. Zur Jungen Akademie sagt dieser: "Weg damit! Da hält sich die alte Gelehrtengesellschaft zur Rechtfertigung ihrer Existenz ein paar Junge am Rand, ohne ihnen wirklichen Einfluss zu geben."

Junges Alibi oder großer Schub?

Das sieht Politikwissenschafterin Sonja Puntscher Riekmann – selbst auch für die "klassenlose" Akademie und an einigen ÖAW-Reformen beteiligt – anders: "Die Schaffung der Jungen Akademie 2008 war ein sehr wichtiger Teil des relativ intensiven Innovationsprozesses der ÖAW. Das war ein großer Schub hin zu neuen, talentierten Menschen, die sich der Wissenschaft widmen." Als "Gegnerin der beständigen Reformen" plädiert sie dafür, "das, was gemacht wurde, zu verbessern".

Da wäre zum Beispiel der Frauenanteil. Der lag Ende 2020 bei den Mitgliedern der Gelehrtengesellschaft bei nicht ganz 19 Prozent. In den Forschungsinstituten waren 35,5 Prozent der wissenschaftlichen Angestellten weiblich.

"In der Vergangenheit war es unglaublich schwierig", erinnert sich Helga Nowotny, die erst 2015, als man sie wirklich nicht mehr "übersehen" konnte, zum Ehrenmitglied ernannt wurde. Die erste Frau in den Gelehrtenreihen war 1948 als korrespondierendes Mitglied im Ausland die Physikerin Lise Meitner. Das erste weibliche wirkliche Mitglied war 1973 ebenfalls eine Physikerin: Berta Karlik.

Die zweite "Wirkliche", Molekularbiologin Renée Schroeder, trat 2012 "wegen mangelnder Exzellenz und zu viel CV", also Cartellverband, in der Akademie aus. Ihr folgte kurz darauf die Linguistin Ruth Wodak, deren Wahl zum wirklichen Mitglied jahrelang blockiert worden war. Sie legte ihren korrespondierenden Status zurück. Die Junge Akademie kritisierte damals "Machtseilschaften". Puntscher Riekmann, 2006 erst als achte Frau zum wirklichen Mitglied gewählt, anerkennt zwar das interne Bemühen um Parität, sagt aber auch: "Wir werden hier noch lange zu tun haben."

* Politik und Gesellschaft Und nach außen? Da war und ist die Corona-Pandemie auch ein Anlass zur Selbstbefragung. Markowich kritisiert die Gelehrtengesellschaft mit Blick darauf als "scheintot, ein Totalausfall". Auch Nowotny bedauert, dass die Gelehrtengesellschaft – anders als die deutsche Leopoldina – "nicht sicht- und hörbar war, während ÖAW-Institute wie das CeMM sofort mit der Sequenzierung begonnen haben".

Mittelstraß empfiehlt: "Keine Institutionalisierung der Politikberatung! Denn in der Wissenschaft geht es um Wahrheit und Objektivität, in der Politik um Macht und Wirksamkeit. Was Akademien leisten können und sollen, ist Gesellschaftsberatung." Etwa in der Form, die Puntscher Riekmann in der ÖAW forcieren würde: statt Dauerkommentierung von Ereignissen eine "Sensibilisierung der breiten Öffentlichkeit, wie Wissenschaft überhaupt funktioniert. Das gilt für Wissenschaft in ruhigen Zeiten und erst recht in Zeiten wie diesen." (Lisa Nimmervoll, 15.3.2022)

Lesen Sie ein Interview mit dem Philosophen Jürgen Mittelstraß zur Zukunft der ÖAW hier.