Rund 1.650 Personen befinden sich derzeit in Untersuchungshaft. Über eine davon wird intensiv debattiert: Sophie Karmasin. Die ehemalige Familienministerin scheiterte auch diese Woche mit ihrem Enthaftungsantrag, sie muss weiter in der Justizanstalt Josefstadt bleiben. Es ist ein tiefer Sturz und sicher eine strenge Entscheidung des Gerichts, das der Argumentation der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gefolgt ist. Es ist, so viel sei festgehalten, keine willkürliche Entscheidung, sondern eine begründete. Karmasin soll wiederholt unterschiedliche strafbare Handlungen gesetzt und diese verschleiert haben, selbst als schon Ermittlungen gegen andere Beschuldigte liefen. Außerdem tat sie all das, als sie gut im Geschäft oder gar Ministerin war.

Die ehemalige Familienministerin muss weiter in Untersuchungshaft bleiben.
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Dennoch stellt sich die Frage, ob diese Härte nötig ist. Im Unterschied zu ihrer Ex-Assistentin Sabine B. gibt es keine Indizien dafür, dass Karmasin Beweise vernichten wollte. Fluchtgefahr fällt auch weg. Bleibt also die Ansicht, dass Karmasin strafbare Handlungen setzen würde, wäre sie frei, was angesichts der breiten Berichterstattung über ihren Fall durchaus absurd erscheint. Durch die U-Haft fällt Karmasin auch um ihren Praktikumsplatz um, den sie für ihre berufliche Neuorientierung gebraucht hätte.

Erschreckend ist, wie groß bei vielen die Freude darüber ist, dass ein Mensch eingesperrt wird; genauso wie der Schock in ihrem Milieu. Da scheint es, als würde man sich erstmals damit beschäftigen, wie brutal die Schicksale von Beschuldigten sind. Hoffentlich liefert die Causa Karmasin einen Anlass, darüber eine Debatte zu führen. Denn Karmasin ist nur eine von 1.650 – und sicher nicht der einzige Fall, den man diskutieren kann. Ibiza-Video-Macher Julian Hessenthaler ist zum Beispiel schon anderthalb Jahre in Untersuchungshaft, trotz deutlich geringerer Beweisdichte. Andere Fälle werden gar nicht medial thematisiert. Reden wir darüber – aber über alle. (Fabian Schmid, 15.3.2022)