Viele Konzerne haben sich seit Kriegsausbruch aus Russland zurückgezogen.

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Viele der größten Tech-Konzerne haben sich seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs aus Russland zurückgezogen. Zum Beispiel hat Microsoft den Verkauf aller Produkte eingestellt, darunter auch jenen des Cloud-Diensts Azure. Ähnlich sieht es bei Amazon aus, dessen Tochterunternehmen AWS keine neuen Kunden aus Russland mehr annimmt. In Summe hat das schwerwiegende Folgen, wie die russische Zeitung "Kommersant" berichtet. Denn: Der dortigen IT-Branche soll in den nächsten zwei Monaten der Datenspeicher ausgehen.

Grund dafür ist, dass Unternehmen gezwungen sind, auf russische Infrastruktur umzusteigen. Das zog einen massiven Anstieg der benötigten Speicherkapazität nach sich. Laut "Bleepingcomputer" hat sich alleine der Bedarf des Mobilfunkanbieters Megafon verfünffacht, der des Anbieters MTS verzehnfacht, während die Social-Media-Plattform VK die eigenen Ressourcen um 20 Prozent aufstocken musste. Russland habe jedoch nicht genügend Datenzentren, um die Nachfrage der Branche zu stillen.

Mehrere Lösungsansätze

An einer Lösung des Problems arbeitet die Regierung deshalb bereits auf Hochtouren. Schon letzte Woche hat das Ministerium für digitale Entwicklung ein Gesetz aussetzen lassen, das Telekom-Unternehmen zu einer jährlichen Speicheraufstockung verpflichtet. Eine weitere Möglichkeit ist laut dem Bericht, Internetanbieter dazu aufzufordern, Streamingdienste einzustellen. Darüber hinaus werde sogar darüber nachgedacht, Server westlicher Unternehmen zu beschlagnahmen, die das Land verlassen haben.

Entsprechende Maßnahmen wären zwar technisch möglich, eine Lösung aller Probleme stellen sie allerdings nicht dar – vor allem wenn man bedenkt, dass der Datenspeicher schon in den kommenden zwei Monaten an seine Grenzen stoßen soll. Die Migration von Datensätzen von einem zum anderen Anbieter sei nämlich ein Prozess, der eigentlich Monate oder sogar Jahre dauert, erklärt Marc Nimmerrichter vom Beratungsunternehmen Certitude dem STANDARD.

Die Chipkrise

Das sei allerdings nicht alles, sagt er. Stattdessen kommen aus der Perspektive Russlands gleich mehrere Probleme zusammen, die eine Erweiterung der Infrastruktur erschweren. Eines davon ist, dass die IT-Branche wegen der anhaltenden Corona-Pandemie mit einer Chipkrise kämpft, die es für Firmen und Konsumenten fast unmöglich macht, kurzfristig an Speichermedien zu kommen. Eine Tatsache, die sich wegen des Ukraine-Kriegs nun weiter verschärft, berichtet DER STANDARD. Zwei Firmen aus der Ukraine versorgen nämlich einen Großteil der weltweiten Industrie mit Edelgasen, die für die Herstellung von Halbleitern benötigt werden.

Unabhängig davon zeigen die Probleme Russlands sehr deutlich, welche Risiken die zunehmende Abhängigkeit von Cloud-Services birgt. "Die meisten Firmen sind in den letzten Jahren stark in Richtung Cloud gegangen und abhängig von dieser", sagt Nimmerrichter. Im schlimmsten Fall könne ein Ausfall dieser Dienste Unternehmen in den Konkurs führen, wenn sie nicht in der Lage sind, eine wegfallende Infrastruktur zu ersetzen und bedrohte Daten zu retten. Welche Lösung Russland für dieses Problem finden wird, bleibt abzuwarten. (mick, 16.3.2022)