Bei einem Tag der offenen Tür in deutschen Bordellen, wie hier im Jahr 2020, konnten Neugierige in die Zimmer reinschauen. Ob sie der richtige Ort zum Ankommen für Geflüchtete sind, das ist mehr als fraglich.

Foto: APA/dpa/Tom Weller

Der Mann posiert in dem Bericht vom Wochenende in der "Krone" mit Sonnenbrille, Käppi und Burberry-Schal. Er deckt mit seinem Kopf plus Accessoire gerade mal so die Nippel einer nackten, sich räkelnden Frau ab. Der Anlass für die Geschichte und warum dieses und weitere Bilder einer Laufhauskette in Österreichs reichweitenstärkster Zeitung prangen? Purer Altruismus, Hilfe für Geflüchtete aus der Ukraine, freie Zimmer, ein jedes mit "Dusche und SAT". So vermittelt es jedenfalls besagter Bericht.

Der Helfer in der Not ist eine "Wiener Rotlichtlegende", wie die "Krone" ihn ehrfürchtig nennt. Dieser könne "kurzfristig ein komplettes Laufhaus" leerräumen, den Betrieb könne er auf die anderen vier Laufhäuser, die er noch betreibt, "umschichten", und dann setzt er sich auch noch als Tabubrecher in Szene. Die von ihm kontaktierten Stellen würden "etwas zusammenzucken", wenn sie "Rotlicht" hören, aber es gehe schließlich um "schnelle und pragmatische Hilfe", so die wohltätige "Rotlichtlegende".

Er sei schon mit dem Roten Kreuz, der Diakonie und der Stadt Wien im Gespräch, gibt er an. Nur haben zwei der drei von ihm erwähnten Stellen auf Nachfrage des STANDARD gar keine Anfrage erhalten. Die Diakonie konnte zwar eine Anfrage bestätigen, stellte aber wie auch das Rote Kreuz klar, dass man gar nicht über eine Flüchtlingsunterkunft entscheiden könne. Aus der Pressestelle der Flüchtlingskoordination der Stadt Wien heißt es, man habe von diesem Angebot aus der Zeitung erfahren. Grundsätzlich würden aber alle Angebote genau angesehen, ob sie passend seien – doch auf den ersten Blick sei das Laufhaus kein geeigneter Platz für geflüchtete Familien.

Für Sexarbeit eingerichtet

Viele hilfsbereite Menschen fragen sich derzeit, wie sie unterstützen können. Das ist großartig. Und aus unternehmerischer Sicht ist es auch nicht grundsätzlich verwerflich, wenn man mit Hilfsbereitschaft für sich und den Betrieb Werbung macht. So wie eben unser Laufhausbetreiber, der schon während des vergangenen Pandemie-Herbstes mit "Puff-Impfungen" Aufmerksamkeit erregte. Einfach kurz zum "Stich" vorbeikommen, ein "Spritzer" und schon vorbei – haha, ein Brüller. Viele berichteten, von "Heute" bis zum ORF, und das sehr wohlwollend: Wir sahen im Vordergrund eine "Krankenschwester" mit tiefem Dekolleté, Super-Mini und Strapsen, die auf Höhe ihrer geschürzten Lippen eine Spritze in der Hand hält, im Hintergrund ist schön das Laufhaus zu sehen.

Bei einer Impfaktion ist das schon okay. Bei Quartieren für Geflüchtete, derzeit vor allem Frauen, sehr viele mit Kindern, ist es das aber nicht. Das gilt sowohl für das Hilfsangebot selbst als auch die freundliche Berichterstattung. Nicht wegen Prüderie, wie der Laufhausbetreiber bereits versuchte, Kritik mit dahingehenden Andeutungen vorwegzunehmen. Sondern wegen guter anderer Gründe.

Nur weil man eine psychisch und physisch anstrengende Flucht hinter sich hat, fühlt man sich nicht automatisch überall wohl und sicher, wo es ein Bett gibt. In einem für Sexarbeit eingerichteten Zimmer mit fix montiertem Kleenexspender am Kopfende der Betten, in das man entlang von nackten Frauensilhouetten und blanken Pobacken gelangt, zum Beispiel. NGOs warnten in den vergangenen Tagen immer wieder vor diversen Strategien von Menschenhändler:innen, an Frauen auf der Flucht heranzukommen. Auch sexualisierte Übergriffe bleiben vielen geflüchteten Frauen nicht erspart. All das muss man wohl ignorieren, wenn man die Idee äußert, Geflüchtete im Puff unterbringen zu wollen.

Selbstdarstellung statt Empathie

Natürlich müssen wir Menschenhandel und Zwangsprostitution klar von selbstgewählter und selbstbestimmter Sexarbeit trennen. Es geht auch nicht darum, Sexarbeiterinnen abzuwerten, nur weil man ihren Arbeitsplatz nicht als geeigneten Ort des An- und Zur-Ruhe-Kommens für Kriegsflüchtlinge erachtet.

Geflüchtete Frauen befinden sich jetzt in einem ihnen fremden Land, sie wissen meist nicht, wie es für sie weitergeht, wie sie ihre Kinder unterstützen können, und sie fühlen sich wohl oft ausgeliefert. Es braucht eigentlich nicht viel Vorstellungskraft, um nachvollziehen zu können, warum insbesondere geflüchtete Frauen lieber woanders Platz finden würden als in einem Bordell. Aber manchmal verstellt die Lust an Selbstdarstellung und einer Berichterstattung mit Touch von vermeintlich Verruchtem diese Vorstellungskraft. (Beate Hausbichler, 22.3.2022)