Der Kreditausschuss der Mattersburger Bank soll zuletzt gar nicht mehr getagt und Unterlagen ohne Rückfragen unterschrieben haben.

Foto: Matthias Cremer

Geht es nach dem Ex-Chef der Commerzialbank Mattersburg, Martin Pucher, so hat er manchmal in die eigene Tasche gegriffen, um seinen Kunden beizuspringen. Etliche von ihnen waren schwerst angeschlagen, bekamen aber trotzdem weiterhin Kredite – freilich unter recht seltsamen Umständen. In den laufenden Ermittlungen hat sich herausgestellt, dass für diese Kredite zwar Sicherheiten eingeräumt wurden, die freilich nicht den Kunden zuzurechnen gewesen seien. Da tauchten verpfändete Sparbücher oder Wertpapierdepots auf – von wem die gewesen seien, wollten die Ermittler wissen.

Diese seien von ihm "privat, vermutlich aus Lotto-Toto-Einnahmen finanziert" worden, sagte Pucher dazu aus. Er behauptet ja, er habe beim Systemspielen mit einem alten Freund Millionen gewonnen, was die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) kritisch hinterfragt.

Ermittler zweifeln

Ihnen erscheinen diese Spielgewinne "zweifelhaft", Pucher habe diese Mittel schon allzuoft als Finanzierungsquelle für "erhebliche Ausgaben" genannt, erschließt sich aus einem Einvernahmeprotokoll des Chefs der Bank, die im Sommer 2020 zusammengebrochen ist.

Anders ausgedrückt: Die Ermittler hegen den Verdacht, dass Pucher Geld für sich selbst abgezweigt haben könnte, was der zurückweist. Pucher hat gestanden, jahrelang Geschäft erfunden zu haben, sich selbst habe er aber nicht bereichert. Für den Ex-Banker und seine ebenfalls geständige frühere Vorstandskollegin gilt die Unschuldsvermutung. Die Sicherheiten habe er deshalb finanziert, weil die Kreditengagements dieser "risikobehafteten Kunden "laufend Thema" bei den Bankaufsehern gewesen seien.

Problemkunden mit Privatvermögen

Mit manchen dieser Kunden ging der Bankchef aber auch ganz anders um. Sie könne sich an Kommerzkunden erinnern "mit negativem Eigenkapital, einem Obligo im rund siebenstelligen Bereich und ohne jegliche Sicherheiten, die bankintern in die Intensivbetreuung abgerutscht" seien, gewährte eine Ex-Mitarbeiterin Einblick in die Mattersburger Gepflogenheiten.

Mit ihrer Aufforderung, der Kunde müsse Sicherheiten bringen, sei sie bei Pucher dennoch auf taube Ohren gestoßen. "Dieser Kunde ist mir gut genug", habe der gemeint und der Problemkunde besitze ja etliche Liegenschaften. An die Bank seien die aber nicht verpfändet gewesen und daran habe sich auch nach ihrer Vorsprache beim Chef nichts geändert, erklärte die Zeugin.

Kreditausschuss tagte nicht

Im Kreditausschuss des Aufsichtsrats fiel all das offenbar nicht auf. Dessen Protokolle wurden laut Pucher im Vorfeld der Sitzungen von der von Bankmanagerin K. beauftragten Kreditabteilung vorbereitet. Das, was im Ausschuss besprochen wurde, fand dann keinen Niederschlag mehr in den Protokollen. Ab 2013, 2014 habe es dann gar keinen Sitzungen des Kreditausschusses mehr gegeben. Dessen Mitglieder seien "lediglich zum Unterschreiben der vorgefertigten Protokolle" in die Bank gekommen.

Dabei dürfte recht effizient gearbeitet worden sein: Unterschrieben wurden dort laut Ex-Banker "regelmäßig mehrere Protokolle gleichzeitig". Die Folge: ausschusspflichtige Kredite seien oft bereits vor Zustimmung des Aufsichtsrats zugesagt bzw. ausbezahlt worden. Und die Aufsichtsratsmitglieder? Die hätten das nie hinterfragt und vor ihrer Unterschriftsleistung auch nie Unterlagen urgiert.

Wer nimmt den schon?

Insgesamt habe er den Aufsichtsrat aber über die wirtschaftliche Lage der Kreditkunden informiert, schilderte der Ex-Banker, wenngleich er "in den letzten Jahren auf die Wiederholung verschiedener Details zu den Engagements" verzichtet habe.

Und wenn doch einmal Nachfragen zu besonders maroden Kunden kamen, habe er selbst eingeräumt, dass die Bank "denen eigentlich keinen Kredit mehr geben dürfte". Die Antwort gab sich Pucher laut seiner Aussage selbst, in Form einer rhetorischen Frage: "Aber wer nimmt die außer uns schon?" (Renate Graber, 23.2.2022)