Noch sind die Corona-Folgen nicht verdaut, baut sich mit dem russischen Überfall auf die Ukraine ein weiteres Bedrohungspotenzial für die Erholung der Wirtschaft auf. Das gilt für das heimische Wachstum ebenso wie für die gesamte Eurozone.

Alles andere als eine Rücknahme der Prognosen für Österreich heute Freitag, durch die Wirtschaftsforschungsinstitute wäre eine Überraschung. Der Kreditversicherer Acredia hat bereits Zahlen modelliert und geht davon aus, dass das BIP-Plus in Österreich heuer bei 2,6 Prozent liegen wird. Es wäre ein deutlicher Dämpfer: Noch vor dem Ausbruch des Ukraine-Krieges hatten heimische Wirtschaftsforschungsinstitute wie Wifo und IHS mit einem Wachstum zwischen vier und fünf Prozent gerechnet.

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Der Tanker Sun Arrows lädt im russischen Hafen Prigorodnoje Flüssiggas. Ein mögliches Versiegen der russischen Lieferungen hängt wie ein Damoklesschwert über der Weltwirtschaft.
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Eine beträchtliche Abschwächung bringt der Krieg aber wohl für die gesamte Weltwirtschaft. Acredia und Euler Hermes rechnen mit kriegsbedingten Einbußen von mindestens zwei Prozentpunkten. Beim globalen Bruttoinlandsprodukt (BIP) gehen die Ökonomen der Kreditversicherer für heuer von einem langsameren Wachstum von 3,3 Prozent aus (-0,8 Prozentpunkte seit Beginn des Konflikts). Für 2023 wird ein Plus von 2,8 Prozent erwartet. Abgesehen von den potenziell noch weiter steigenden Energie- und Rohstoffkosten benennen die Ökonomen eine neuerliche Unterbrechung von Lieferketten wegen des Konflikts als zentrales Risiko. Ab dem zweiten Quartal könnte das erhebliche Auswirkungen auf die Insolvenzneueröffnungen haben, warnt Acredia-Österreich-Chefin Gudrun Meierschitz.

Vor-Corona-Niveau bei Pleiten

Acredia rechnet heuer mit 5.000 bis 5.500 Firmenpleiten. Das entspricht auch der Einschätzung heimischer Gläubigerschützer, wonach die Pleiten in Österreich heuer auf das Vor-Corona-Niveau ansteigen oder auch etwas darüber liegen dürften. Gegenüber dem Vorjahr, als noch üppige Corona-Unternehmenshilfen bereitgestellt wurden, bedeuteten gut 5.000 Pleiten ein Plus von immerhin rund 175 Prozent. Für das erste Quartal hatte der KSV 1870 dieser Tage mit dem Auslaufen der meisten Hilfen einen Anstieg von 110 Prozent gegenüber dem Vorjahresvergleichszeitraum gemeldet.

Das Risiko von Zahlungsausfällen und Insolvenzen wachse in ganz Europa, heißt es. Es bestehe die Gefahr, dass die Zahl durch den Ukraine-Krieg um sieben Prozentpunkte auf plus 23 Prozent steigen könnte. Für 2023 wird immer noch mit einem Zuwachs von 17 Prozent gerechnet.

Weiterer Preisanstieg

Auch die Europäische Zentralbank (EZB) hat keine optimistischere Einschätzung. Die EZB-Fachleute rechnen mit erheblichen Folgen des Ukraine-Krieges für die Konjunktur im Euroraum. Er werde Energie und Rohstoffe weiter verteuern, den Welthandel beeinträchtigen und das Vertrauen schwächen, schrieb die Euro-Notenbank in ihrem jüngsten Wirtschaftsbericht. Wiewohl alle Wirtschaftsforscher einräumen müssen, dass vieles derzeit kaum abschätzbar ist. Die Konjunkturaussichten hängen vom Kriegsverlauf und von den Auswirkungen der Sanktionen ab. Ein Abschneiden von Russlands Energielieferungen würde die aktuellen Einschätzungen wohl obsolet machen.

Fachleute rechnen damit, dass sich Energie und Rohstoffe weiter verteuern.
Foto: imago/Markus Tischler

Noch klingt vorsichtiger Optimismus durch: "Im Basisszenario der von EZB-Experten erstellten Projektionen dürfte die Wirtschaft des Euroraums 2022 weiterhin kräftig wachsen, allerdings langsamer als vor Ausbruch des Krieges erwartet." Die Betonung liegt auf vorsichtig, denn der Preisdruck wird weiter steigen – bei einigen Nahrungsmitteln und bei Rohstoffen. Was Konsumenten bereits vielerorts spüren, findet auch Eingang in die Beurteilung der EZB-Experten: "Die Preise ziehen nun auf breiter Front an." Hohe Energiekosten könnten in Verbindung mit einem Vertrauensverlust die Nachfrage mehr belasten als erwartet und Konsum- und Investitionsausgaben dämpfen. (Regina Bruckner, 25.3.2022)