Eigentlich war ein persönliches Gespräch auf dem Mobile World Congress in Barcelona geplant. Covid-19 durchkreuzte diese Pläne allerdings. Zum Glück gibt es ja mittlerweile die allseits bekannte und weniger beliebte Videotelefoniefunktion.

STANDARD: Herr Fisker, zuerst haben Sie Fisker Automotive gegründet und sind damit Konkurs gegangen. Jetzt sind Sie mit Fisker Inc. zurück. Was hat sich seither geändert?

Henrik Fisker: Ich glaube, die Leute vergessen, dass wir den Fisker Karma ein Jahr vor dem Tesla Model S auf den Markt gebracht haben. Und wir hatten bestimmte Technologien, insbesondere für die Batterie, die von einem Start-up stammten, das in Konkurs ging und nicht weitermachen konnte. Also konnten wir auch nicht weitermachen. Was sich in den letzten zehn Jahren wirklich geändert hat, ist, dass einige der Technologien wie Batterien und gesamten Leistungselektronik und ausgereift sin, genauso wie die Lieferketten, so dass wir ein viel geringeres Risiko eingehen müssen. Ich glaube auch, dass die Akzeptanz von E-Fahrzeugen allgemein zunimmt. Bedeutet, wir können mit der Produktion von Elektrofahrzeugen in großen Stückzahlen beginnen, was wiederum den Preis senken wird.

Henrik Fisker: "Ich versuche, mich nicht auf das Scheitern vorzubereiten, sondern versuche, an den Erfolg zu denken. Ich bin ein optimistischer Mensch."
Foto: Fisker

STANDARD: Was haben Sie getan, um auf einem Markt nicht zu scheitern, der im Moment sehr belebt ist und von Tag zu Tag zu wachsen scheint?

Fisker: Ich versuche, mich nicht auf das Scheitern vorzubereiten, sondern versuche, an den Erfolg zu denken. Ich bin ein optimistischer Mensch. Als wir vor ein paar Jahren mit Fisker 2.0 begannen, habe ich mir den Markt für Elektroautos angesehen, und mir ist aufgefallen, dass es ziemlich einfach ist, fünf bemerkenswerte Elektrofahrzeuge zu nennen, die mehr als 80.000 Euro kosten. Es ist aber sehr schwierig, fünf bemerkenswerte Elektrofahrzeuge zu nennen, die weniger als 45.000 Euro kosten. Für mich war es wichtig, in diesen Markt einzusteigen und ein wirklich interessantes Elektrofahrzeug zu bauen, das nicht wie eine weitere Limousine oder ein Fastback aussieht. Und auch die Qualität ist ein wichtiger Punkt. Immer mehr Leute interessieren sich für E-Autos, nicht nur die frühen Fanatiker, die sich damit abfinden konnten, dass Teile des Autos abfallen oder Dinge noch nicht so richtig funktionieren. Aber jetzt wollen die Leute, dass die Qualität genauso hoch ist, wenn nicht sogar besser als bei einem Benzinauto.

STANDARD: Sie haben sich mit dem Design des Aston Martin DB9 oder BMW Z8 einen Namen gemacht. Wie viel Henrik steckt im Fisker Ocean?

Fisker: Wenn Sie sich das Fahrzeug ansehen, werden Sie feststellen, dass es viele subtile Anspielungen auf einen Sportwagen gibt, insbesondere an den Radkästen und wie die großen Räder wirklich gut in die Karosserie passen. Ich finde, das ganze Auto ist für einen SUV extrem schlank. Wenn man sich den Aston Martin DB9 und den BMW Z8 anschaut, sind das sehr klare Fahrzeuge, die zeitlos wurden, weil sie nicht überladen waren. Und das Gleiche machen wir mit dem Fisker Ocean. Wir versuchen, so viel Eleganz wie möglich in das Auto zu verbauen. Dazu gehören auch die dünnen Scheinwerfer und Rückleuchten. Die waren Markenzeichen bei vielen meiner Sportwagen, an denen ich gearbeitet habe.

Der Ocean ist das Auto der Stunde. Vier Baureihen will Fisker bis 2025 auf dem Markt haben.
Foto: Fisker

STANDARD: Der Ocean ist das Auto der Stunde bei Fisker. Wird das das einzige Modell bleiben, oder planen Sie mehr für die Zukunft?

Fisker: Ich glaube nicht, dass man in diesem Geschäft mit nur einem Auto überleben kann. Man muss mehrere Modelle haben, und wir haben bereits angekündigt, dass wir bis 2025 vier Fahrzeuge auf den Markt bringen werden. Es gibt heute viele Segmente, die noch nicht besetzt sind. Ich meine, es gibt kein Cabrio-EV, es gibt kein Minivan-EV. Unsere Idee ist es, in Segmente vorzudringen, die derzeit nicht oder zumindest nicht sehr stark besetzt sind. Unser zweites Fahrzeug wird ein kleineres Elektrofahrzeug sein. Es wird sehr radikal, sowohl in Bezug auf das Design als auch auf die Art der Ausstattung. Es heißt Pear, wird 2024 auf den Markt kommen und rund 30.000 US-Dollar kosten, also wahrscheinlich unter 30.000 Euro (ohne Mehrwertsteuer). Und dann werden wir noch zwei weitere Fahrzeuge vor 2025 auf den Markt bringen. Eines davon wird ein Sportwagen sein.

STANDARD: War das eine Andeutung, dass es noch kein Cabrio-EV oder einen Minivan gibt? Also vielleicht für das fünfte Auto?

Fisker: Darüber spreche ich noch nicht. Ich sage nur, dass es offene Segmente gibt.

STANDARD: Österreich spielt eine große Rolle in Ihren Plänen, da Sie Ihre Autos von Magna in Graz bauen lassen. Wie ist es zu dieser Entscheidung gekommen?

Fisker: Ich kenne Magna schon sehr lange, und wir haben schon vor vielen, vielen Jahren gesprochen, als sie darüber nachdachten, etwas in den USA zu machen. Und irgendwann haben wir uns wieder getroffen. Das war im Jahr 2019. Damals haben sie sie ein Start-up gesucht, mit dem sie zusammenarbeiten konnten. Und wir haben alle Kriterien erfüllt. Wir haben uns auch andere Kooperationspartner angeschaut, wie zum Beispiel VW, aber wir haben uns für Magna entschieden, weil es ein komplettes Paket war. Jetzt ist Magna mit sechs Prozent an Fisker beteiligt, es ist also eine sehr enge Beziehung, in der wir beide wollen, dass es ein Erfolg wird.

STANDARD: Können Sie sagen, wie hoch die Investition in Magna für dieses Projekt ist?

Fisker: Niemand verrät seine Investitionen. Diese Projekte gehen alle in den dreistelligen Millionenbereich. Wir haben bereits gesagt, dass es etwa eine Milliarde kostet, um unser Fahrzeug auf den Markt zu bringen. Das ist eine Menge Kapital.

Foto: Fisker

STANDARD: Einer der spannendsten Teile eines Elektroautos ist die Batterie. Woher beziehen Sie Ihre?

Fisker: Wir haben Anfang letzten Jahres einen langfristigen Vertrag mit CATL unterzeichnet, dem weltweit größten Hersteller von Batteriezellen. Und wir entwickeln gemeinsam ein Batteriepaket mit wirklich Leistung. Wir haben uns für zwei verschiedene Varianten entschieden. Für das Basisfahrzeug haben wir eine Lithium-Eisenphosphat-Batterie (LFP). Für das Oberklassemodell haben wir dann die Nickel-Mangan-Cobalt-Batterie (NMC). Wir haben mit 440 Kilometern im WLTP-Bereich die weltweit größte Reichweite in unserem Preissegment.

STANDARD: Wie wichtig ist Europa für das junge Unternehmen Fisker und speziell für den Ocean im Moment?

Fisker: Superwichtig. Wir streben an, dass Europa 50 Prozent des Volumens ausmachen wird. Können wir das schaffen? Ich weiß es nicht, niemand weiß es wirklich. Wir haben bereits eine Menge Reservierungen in Europa, von Österreich über Deutschland, Skandinavien, England und Frankreich, überall. Wir sehen also eine gute Resonanz. Und das, obwohl wir nicht allzu viel Marketing gemacht haben.

STANDARD: Sie sagen, Sie bauen eines der nachhaltigsten Autos auf dem Markt. Was genau meinen Sie damit, abgesehen davon, dass es ein Elektroauto ist?

Fisker: Das ist genau der Punkt. Wir müssen in Zukunft mehr tun, als nur ein Elektroauto zu bauen. Die Herstellung von Autos ist ein großes Problem für die Umwelt. Magna Steyr hat seit diesem Jahr eine CO2-neutrale Fabrik, das ist also schon ein sehr guter Punkt. Zweitens haben wir viel Zeit mit Zulieferern verbracht, um recycelte Materialien in das Fahrzeug zu bekommen. Wir machen viel aus recycelten Kunststoffen, die aus dem Meer gefischt wurden, und wir verwenden für einige der Materialien recycelte T-Shirts. Die ganze Idee war, Luxus neu zu definieren, aber die Verwendung von recycelten Materialien – das mag wie zwei gegensätzliche Pole klingen. Wenn man in das Auto einsteigt, merkt man gar nicht, dass es sich um recycelte Materialien handelt. Wir überlegen sogar, welche Art von Klebstoffen wir verwenden, die weniger giftig sind. Schauen Sie sich unser Solardach an, das ist das weltweit größte eines Serienfahrzeugs in diesem Jahr, und trägt zu absolut sauberer Energie bei.

Foto: Fisker

STANDARD: Man kann den Ocean aktuell vorbestellen. Können Sie sagen, wann die ersten Autos bei den Kundinnen und Kunden eintreffen werden?

Fisker: Wir beginnen mit der Auslieferung in etwa fünf oder sechs europäischen Ländern, auch in Österreich, im November. Es werden nur sehr wenige sein, weil wir gerade erst mit der Produktion beginnen. Die richtige Auslieferung startet nächstes Jahr.

STANDARD: Und was für Verkaufszahlen erwarten Sie sich?

Fisker: Wir rechnen mit mindestens 50.000 Fahrzeugen, was den Absatz betrifft. Das ist das Ziel. Und bis jetzt haben wir fast diese Menge an Reservierungen. Wir sollten also kein Problem haben.

STANDARD: Zu guter Letzt: Was bietet Ihr Unternehmen für einen Markt, der bereits erschöpft zu sein scheint?

Fisker: Wir haben in unserem Segment die größte Reichweite der Welt. Wir haben gerade in Allego investiert, ein großes europäisches Ladeinfrastrukturunternehmen mit 20.000 Ladestationen. Im Fahrzeug selbst haben wir einen fantastischen Bildschirm, der für viele junge Leute im Moment einer der wichtigsten Punkte ist. Die Nachhaltigkeit ist ein wichtiger Punkt, aber auch das Design. Der Kalifornien-Modus: Wenn das Wetter gut ist, auch in Österreich, kann man einfach alle Fenster herunterkurbeln, auch die kleinen Fenster hinten, das ist einzigartig, auch die Heckklappe geht runter. Und schließlich, wir sind da, wenn jemand ein wirklich gutes Elektroauto zu einem erschwinglichen Preis haben möchte. Wir starten bei rund 42.000 Euro. Das Platzangebot im Innenraum kommt dem eines BMW X5 ziemlich nahe. Ich denke, das ist sehr wettbewerbsfähig, und wir können das tun, weil wir kein Händlernetz haben. Wir versuchen, bei allem Kosten zu sparen, vom Zeitpunkt, an dem das Auto die Fabrik verlässt, bis zu dem Zeitpunkt, an dem es beim Kunden ankommt. Wir verkaufen unsere Autos online oder über unsere Fisker-App und liefern direkt nach Hause. Man kann sich sein Auto aber auch abholen. (Thorben Pollerhof, 6.4.2022)