Protestierende waren in Erdlöcher eingegraben und mussten "befreit" werden.

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24 Personen wurden wegen Verwaltungsübertretungen angezeigt.

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Am 1. Februar wurde bereits das große Protestcamp gegen den Lobautunnel geräumt.

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"Rebel for life" steht auf der Kapuzenweste der jungen Frau, die von zwei Polizisten getragen wird. Die Beamten bringen sie aus dem abgesperrten Bereich, der bis Dienstagvormittag als Lobau-Protestcamp bekannt war. Das Motto lässt die Klimaaktivistin die Exekutive auch spüren. Sie schreit "Lobau!", und die umstehenden Demonstrierenden antworten mit "bleibt!". Als die Polizisten die Frau vor der Absperrung absetzen, begrüßen die Sympathisantinnen und Sympathisanten sie mit Applaus. Ein paar Dutzend von ihnen haben sich hier vor einer Tankstelle versammelt, sie skandieren, geben Interviews; aus einem Lautsprecher in einem Lastenrad dröhnt Musik.

Rund 400 Beamtinnen und Beamte waren laut Polizei im Einsatz, um das Protestcamp in Wien-Donaustadt zu räumen. Später soll hier die Stadtstraße in die Südosttangente münden, wogegen demonstriert wird. Aktuell baut die Asfinag hier allerdings nur die Auffahrt auf die Südosttangente um. Das staatliche Autobahnunternehmen hat nach eigenen Angaben die Polizei ersucht, das Camp in der Hirschstettner Straße zu räumen, "um die Bautätigkeiten ohne Gefährdung von Personen fortsetzen zu können". Der "respektvolle Umgang" mit den betroffenen Personen sei dabei wichtig gewesen: "Lebensmittel und andere Utensilien im Eigentum der Aktivistinnen und Aktivisten werden eingesammelt, verpackt und danach bereitgestellt."

Nicht die erste Räumung

Es ist das zweite Lager der Wiener Aktivistinnen und Aktivisten, das nun geräumt wurde: Anfang Februar machte die Exekutive auf Order der Stadt Wien ein Protestcamp in der Nähe der Seestadt dem Erdboden gleich, damit hier ein anderer Bauabschnitt der Stadtstraße gebaut werden kann. Die von den Aktivistinnen gebaute, damals schon fast ikonische Holzpyramide wurde von einem Bagger zerlegt.

Solche Bilder sollten am Dienstag offenbar vermieden werden: Medien wurde der Zutritt zum Areal verboten, der Polizeieinsatz konnte nur aus der Ferne beobachtet werden.

DER STANDARD

Gut sichtbar waren die kreativen Widerstandsaktionen der Besetzer. Mehrere Personen hatten ihre Arme in selbstgegossene Betonblöcke gesteckt, diese mussten mit schwerem Gerät aufgestemmt werden. Demonstrierende, die sich weigerten, von Holzkonstruktionen herunterzusteigen, wurden mithilfe eines Krans von dort heruntergehoben; andere waren in Erdlöcher eingegraben und mussten unter Mitwirkung eines Baggers und von etwa 20 beobachtenden Polizistinnen und Polizisten "befreit" werden. Erst am frühen Nachmittag gab die Polizei bekannt, dass das Areal vollständig geräumt worden sei. 24 Personen seien wegen Verwaltungsübertretungen angezeigt worden.

"Nicht die letzte Besetzung"

Rund 30 Aktivistinnen und Aktivisten hätten sich auf der Baustelle befunden, als die Polizei mit der Räumung begonnen habe, sagt Anna Kontriner, Sprecherin von Lobau bleibt. Gegen zehn Uhr habe die Exekutive das Gebiet eingekreist und keine Personen in den Bereich mehr gelassen. "Die Stadt will hier wirklich Fakten schaffen", sagt Kontriner. "Wir rechnen damit, dass sie das alles planieren werden." Die Stimmung unter den Aktivistinnen sei dennoch gut. "Das wird nicht die letzte Baustellenbesetzung gewesen sein."

"Die Räumung unterstreicht erneut die rückständige Verkehrspolitik der Stadt Wien in der Donaustadt. Nach Absage des Lobautunnels wäre es nur logisch, die Pläne der Stadtstraße zu prüfen und dem tatsächlichen Bedarf anzupassen", reagierte Agnes Zauner, Geschäftsführerin von Global 2000, auf die Räumung. So, wie die Stadtstraße momentan geplant ist, verkörpere sie "ein Relikt aus verkehrspolitischer Steinzeit".

Nicht alles, was in der Vergangenheit geplant wurde, sei "heute noch vernünftig", reagierten die Grünen. Das gelte auch für die Wiener Stadtautobahn. Sie werde sich als "historischer Fehler erweisen", sagte der grüne Klimaschutzsprecher Lukas Hammer.

Sima hat "mit Protescamps fertig"

Die für die Stadtstraße zuständige Planungsstadträtin Ulrike Sima (SPÖ) verwies in dieser Sache auf die Zuständigkeit der Asfinag: "Ich habe mit Protestcamps fertig", sagte sie zum STANDARD.

Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos) wollte sich am Rande einer Pressekonferenz ebenfalls nicht konkret äußern. "Die Stadtstraße muss kommen", verwies er aber auf vertragliche Verpflichtungen. Nun gelte es, die Gegner des Projekts "in bestmöglichem Diskurs" zu überzeugen.

FPÖ-Verkehrssprecher Anton Mahdalik sprach von einem "Durchputzen" auf der besetzten Asfinag-Baustelle. Die verzögerten Bauarbeiten hätten einen Schaden von über 22 Millionen Euro für die Steuerzahler verursacht. Auch die ÖVP gab sich zufrieden. "Mit der heutigen Räumung des letzten Protestcamps gegen die geplante Stadtstraße wurde die rechtswidrige Besetzung endlich beendet. (...) Es darf keine Zeit mehr verloren werden", sagte die Wiener ÖVP-Verkehrssprecherin und Gemeinderätin Elisabeth Olischar.

Neuerliche Besetzungsversuche

Entgegen diesen Wünschen gab die Initiative Lobau bleibt am Abend bekannt, dass bereits ein geplanter Bauabschnitt der Stadtstraße in der Nähe eines bestehenden Camps bei der Anfanggasse besetzt wurde. Laut Kontriner fanden sich 100 Aktivistinnen und Aktivisten ein. Durch polizeiliche Einsatzkräfte wurde diese Blockade am Ende ebenfalls aufgelöst.

Später hieß es, Sympathisanten hätten nach der Räumung des Lobau-Protestcamps versucht, "in den Aktionsraum zu gelangen". Die neuerliche Besetzung habe "durch das koordinierte Einschreiten der Polizei" verhindert werden können. (Sebastian Fellner, red, 5.4.2022)