Wahlsieger Viktor Orban wird Ungarn weiter mit einer Zweidrittelmehrheit regieren.
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"Neue Zürcher Zeitung": Orbán ist stärker denn je

"Die vom Oppositionsbündnis angeprangerten Missstände wie die drückende Inflation, Armut, ein desolates Gesundheitswesen und vor allem die Korruption in (Viktor) Orbáns Umfeld nannten viele Ungarn als drängende Sorgen. Der russische Überfall auf die Ukraine änderte jedoch alles. Orbán präsentierte sich als einzigen Garanten für Sicherheit und Stabilität, gerade wegen seiner guten Beziehungen zu Moskau. Alle anderen Themen rückten darob in den Hintergrund.

Nach der krachenden Niederlage ist die Gefahr groß, dass die Opposition wieder in ihre Einzelteile zerfällt. Auf weite Sicht ist nicht erkennbar, wer die Macht Orbáns und seiner Partei dereinst brechen könnte. (...) Das zeigt, dass Orbán dank seines politischen Talents und der von ihm geschaffenen Strukturen weitgehend selber bestimmen kann, wie lange er noch die Geschicke Ungarns lenken will. Er ist mit dem Sieg vom Sonntag stärker denn je und wird dies seine Gegner im In- und Ausland spüren lassen. Brüssel sollte sich darauf einstellen. Die Debatten um Rechtsstaatlichkeit, Fördermittel oder Sanktionen gegen Russland werden wohl noch schwieriger werden."

"Washington Post": Fünfte Kolonne

"Die Ungarn haben das Recht, die Regierung zu wählen, die sie wollen, aber sie sollten wissen, dass ihre Wahl Konsequenzen hat. Es geht nicht nur darum, dass Ungarn innerhalb der Europäischen Union zu einem halben Paria-Staat geworden ist. (...) Es geht auch darum, dass Orbáns Verachtung für die Feinheiten des Pluralismus, der Toleranz und der Demokratie sowie seine Nachsicht mit einem blutbespritzten Diktator in Moskau die Gefahr bergen, Ungarns Wirtschaft zu ruinieren. (...)

Doch die Wirtschaft dieses Landes mit weniger als zehn Millionen Einwohnern hängt auch stark von europäischer Großzügigkeit ab. In der aktuellen Haushaltsperiode der EU, die 2027 endet, hat Budapest Anspruch auf mehr als die 45 Milliarden Dollar, die es im letzten Fünfjahreshaushalt erhalten hat. Indem er Europa weiter gegen sich aufbringt und die europäischen Grundsätze untergräbt, gefährdet Orbán diesen Geldfluss. (...) Es gibt keinen zwingenden Grund für die EU, diesen Angriff auf ihre Werte weiterhin zu unterstützen oder ein Land zu tolerieren, das jetzt, inmitten eines schrecklichen Krieges, effektiv als fünfte Kolonne innerhalb der Staatengemeinschaft agiert."

"Hospodarske noviny" (Prag): Freie Wahlen?

"Wenn Orbán am Wahlabend sagt, dass sein Sieg vom Mond aus gesehen werden könne und damit auch von Brüssel aus, will er damit zeigen, wie sicher er sich in seiner Haut fühlt. Die Mehrheit der Stimmen gibt ihm zwar ein starkes politisches Mandat, doch nicht weniger wichtig ist, ob es tatsächlich freie Wahlen waren. Haben die Wähler in der Kabine selbst entschieden? War der Wahlkampf angesichts der massiven Regierungspropaganda und der Änderungen im Wahlrecht gerecht? Die Antworten auf diese Fragen sind keine rein ungarische Angelegenheit, sondern gehen alle Mitglieder der Europäischen Union an. Sie alle haben sich zur Einhaltung demokratischer Werte und des Rechtsstaatsprinzips sowie zur Garantie freier Medien verpflichtet. Schon heute ist aus Brüssel und anderen europäischen Hauptstädten zu sehen, wie einsam der triumphierende Orbán letztlich dasteht."

Zeitung: "Rzeczpospolita" (Warschau): Illiberale Enklave

"Das Ergebnis der Wahl (...) zeigt auch, dass wir innerhalb des Westens, der derzeit geeint ist wie noch nie, eine undemokratische, korrupte und illiberale Enklave haben."

"Pravda" (Bratislava): Wenig anzubieten

"Die Opposition hatte außer Kritik an Orbán und dem Versprechen seiner Entmachtung nicht viel anzubieten. Mit Versprechen, dass Ungarn westlicher, proeuropäischer, wieder demokratischer und anständiger werde, lassen sich in solchen Zeiten, in denen soziale und wirtschaftliche Fragen, bei denen Orbán eine gar nicht schlechte Figur macht, die Menschen bedrücken, keine Wahlen gewinnen." (5.4.2022)