Cobra-Chef Bernhard Treibenreif und Karl Nehammer (ÖVP), damals Innenminister, nun Kanzler, bei einem Termin im vergangenen Sommer.

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Eine b'soffene G'schicht und ein anonymer Hinweisgeber beschäftigen nach wie vor die österreichische Innenpolitik. Es geht um zwei Personenschützer von Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) und seiner Familie, die betrunken einen Unfall gebaut hatten. "Der Vorfall hat sich außerhalb der Dienstzeit zugetragen", hieß es schon in den ersten Medienberichten aus dem Innenministerium dazu.

Damit hätte die Sache erledigt sein können. Wäre nicht ein anonymes Schreiben aufgetaucht, in dem ein angeblicher Cobra-Beamter dem Kanzler und seiner Familie weiter Verfehlungen anlastet: etwa dass die Personenschützer sich in der Kanzlerwohnung betrunken hätten oder dass sie für Botendienste und zur Kinderbetreuung eingesetzt würden. Die Sache wäre auch kleiner, hätte der Kanzler nicht deswegen eine Pressekonferenz einberufen.

Verwunderung in der ÖVP

Warum eigentlich hat er durch sein öffentliches Statement diese Sache so groß gemacht? Selbst in der SPÖ, die das anonyme Schreiben in einer parlamentarischen Anfrage zumindest zum Teil veröffentlichte, hatte man mit so einem Tohuwabohu nicht gerechnet. Auch in der ÖVP hält man den Auftritt zwar aus emotionaler Sicht für nachvollziehbar, weil sich der Kanzler als besorgter Familienvater präsentierte. Aber geraten hätte ihm so mancher dazu eher nicht. Mitleid sei nun einmal keine Kategorie in der Politik, heißt es, gewinnen konnte Nehammer aus türkiser Sicht damit nichts. In der ÖVP hält man den Vorfall aber ohnehin nur für eine kleine Posse, die man vor allem als Frechheit des roten Mitbewerbers empfindet.

Dem wird von türkiser Seite vorgeworfen, dass er ein Schreiben veröffentlicht hatte, das sicherheitsrelevante Informationen über Nehammers Familien enthält, während nicht klar ist, woher es stammt. So stehen Aussagen des Hinweisgebers jenen aus dem Innenministerium und des Kanzlers gegenüber. Doch: Selbst wenn der Inhalt aus dem Schreiben stimmen sollte, wäre davon längst nicht alles strafbar.

Vorwurf Intervention

Etwa der Vorwurf, Personenschützer würden für private Zwecke eingespannt werden. Ob dadurch ein Untreueverdacht im Raum steht, sei fraglich, sagt Katharina Beclin, Strafrechtlerin an der Universität Wien. Durch so ein Vorgehen würde nicht unbedingt ein Vermögensschaden entstehen. Ob nun ein Personenschützer seine Schutzperson zu einer Erledigung begleitet oder diese gleich allein erledigt, mache da keinen Unterschied, argumentiert Beclin. Außerdem kommt der Tatbestand der Untreue nur dann in Betracht, wenn jemand seine Befugnis missbraucht. Personenschützer sind aber dem Innenministerium, nicht dem Kanzler unterstellt.

Doch in dem Schreiben steckt noch ein zweiter Vorwurf gegen den Kanzler: dass er nach dem verhängnisvollen Unfall dafür gesorgt haben soll, dass die offizielle Dienstzeit der Personenschützer nach vorne verlegt wird, sodass der Unfall sich in ihrer Privatzeit ereignet habe. Eine "glatte Lüge", sagte Nehammer, ohne näher ins Detail zu gehen.

Die Presse berichtete einen Zeitplan, der zur Argumentationsstrategie des Kanzlers passt. Demnach sollen sich die Nehammers an besagtem Sonntag gegen 16.30 Uhr – vor dem Unfall – von den Personenschützern verabschiedet haben. Die sollen sich dann andernorts angetrunken und später das Auto gestartet haben. Wo sie tranken, ist unklar: Der 13. März, an dem sich der Vorfall ereignete, war ein Sonntag, viel los ist da in der Gegend nicht.

Fahrzeit ist Dienstzeit

Relevanter ist, ob die Unfallszene sich in der Dienstzeit ereignete. Manfred Matzka, Jurist und ehemaliger Verwaltungsbeamter, sagt dazu: "Man ist so lange im Dienst, solange man bei der Schutzperson oder im Auto ist." Damit würde die Darstellung des Innenministeriums bröckeln, der Vorfall sei nach Dienstende geschehen. Damit kommt aber auch die Frage auf, worin der Sinn einer Intervention Nehammers liegen könnte, wie sie der Hinweisgeber unterstellt. Das Ressort wendet aber ein: "Es gibt auch Umstände, dass der Dienst am Ort der tatsächlichen Dienstverrichtung angetreten oder auch beendet wird." Die Dienstplanerstellung erfolge jedenfalls im Vormonat durch die zuständige personalführende Stelle.

Sollte es eine Intervention gegeben haben, so kämen da laut Strafrechtlerin Beclin aus strafrechtlicher Sicht die Delikte Beweismittel- oder Datenfälschung infrage. Der Vorwurf des Amtsmissbrauchs oder der Anstiftung zum Amtsmissbrauch hingegen könne nur zutreffen, wenn die unmittelbare Handlung, auf die Einfluss genommen werden sollte, in den Bereich der Hoheitsverwaltung falle. Bloße Dienstzeitaufzeichnungen wären aber wohl Teil der Privatwirtschaftsverwaltung. "Wenn es aber wirklich zur Anfertigung eines nicht korrekten Polizeiprotokolls über den Vorfall gekommen sein sollte, so wäre durchaus auch (eine mögliche Anstiftung zum) Amtsmissbrauch zu prüfen", sagt Beclin, die auch betont, dass die Unschuldsvermutung gilt.

Sowohl Innenministerium als auch der anonyme Hinweisgeber stellten Anzeigen zu der ganzen Causa in den Raum. Laut Staatsanwaltschaft gingen allerdings noch keine ein.

Am Mittwoch wurde übrigens noch eine weitere Dienstauto-Causa publik: Die Krone veröffentlichte Bilder vom beschädigten E-Dienstwagen von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne). Vor zwei Wochen soll da ein Chauffeur in einem Parkhaus einen Unfall gebaut haben. Er soll aber nüchtern gewesen sein und sofort die Polizei gerufen haben. Kogler soll nicht im Auto gewesen sein. (Jan Michael Marchart, Gabriele Scherndl, 6.4.2022)