Rechtsanwalt Johannes Pepelnik wirft im Gastblog einen Blick auf die neuen Radverkehrsrichtlinien.

Mit 1. April hat die österreichische Forschungsgesellschaft Straße – Schiene – Verkehr (kurz FSV) neue Richtlinien für den Radverkehr (RVS) präsentiert. Die RVS sind bei der Neu- und Umplanung aller für den Radverkehr zugelassenen öffentlichen Verkehrsflächen anzuwenden. Unter Umplanung sind Umbauten zu verstehen, die eine Änderung der Linienführung oder Änderung an oder von Querschnittselementen an einer bestehenden Straße darstellen, die auf die Benützung dieser Straße einen wesentlichen Einfluss erwarten lassen. Erhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen ohne wesentliche Änderung der Querschnittselemente sind keine Umbauten.

Getrennte oder gemischte Fahrbahnen

Die RVS dienen auch als Leitfaden für Maßnahmen hinsichtlich der technischen Straßenausstattung für den Radverkehr. Die RVS unterscheiden beispielsweise den Alltagsverkehr sowie den Freizeitverkehr und weisen ausdrücklich darauf hin, dass die Bedürfnisse des rennsportlichen Radverkehrs nicht behandelt werden.

In puncto Verkehrssicherheit gehen die RVS davon aus, dass für das Ortsgebiet festgestellt wurde, dass sich rund die Hälfte aller Unfälle an Kreuzungen ereignet und im Streckenbereich die Verletzungsschwere dort am höchsten ist, wo keine eigenen Radverkehrsanlagen vorhanden sind oder keine Verkehrsberuhigungsmaßnahmen existieren. Im Freiland stellen besonders auf Straßen ohne getrennte Radfahranlagen die hohen Geschwindigkeiten der Kraftfahrzeuge ein erhöhtes Gefährdungspotenzial für die Radfahrer dar.

Die RVS haben allgemeine Grundsätze für die Anlage von Radverkehrsnetzen erarbeitet und geben eine Hierarchie bei der Planung eines solchen Radverkehrsnetzes vor. Sie geben dann eine Entscheidungsmatrix an, wann Rad- und Kfz-Verkehr getrennt und wann er gemischt werden sollte und wann er für Fußgänger und Radverkehr gemischt werden könnte. Als Grundregel gilt: Je schneller die Kfz fahren und je mehr Kfz es sind, desto eher ist der Verkehr zu trennen, je langsamer und weniger Kfz fahren, desto eher ist er zu mischen. Weiters werden in den RVS auch die Abmessungen von Fahrrädern und der von ihnen benötigte Verkehrsraum angegeben. Daraus ergeben sich dann die Anhaltesichtweite, die Fahrgeschwindigkeit sowie die erforderlichen Sichtfelder bei Überquerungen, Kuppen et cetera.

Mehr Sicherheit für Radfahrer sollen die Richtlinien in Zukunft bringen.
Foto: APA/FLORIAN WIESER

Mehr Sicherheit für E-Bikes, E-Scooter und Lastenräder

Da fast die Hälfte aller tödlich verunglückten Radfahrer im Jahr über 65 und mit einem E-Bike unterwegs gewesen ist, lehnte sich die Überarbeitung insbesondere an diese neue Fortbewegungsart an. Durch E-Bikes und E-Scooter sowie die elektrisch unterstützten Lastenräder wurden die RVS dahingehend angepasst, dass diese längere Bremswege haben und größere Kurvenradien benötigen. Infolgedessen wurde auch die empfohlene Mindestbreite von Radfahrstreifen neben längsparkenden Autos auf zwei Meter erhöht. Hier war mit ein Grund, das gefährliche "Dooring", also wenn es durch unachtsam geöffnete Autotüren zum Unfall kommt, weiter zu verhindern. Bislang nicht in den RVS vorgesehen gewesen sind die Radschnellverbindungen, die nunmehr auch aufgenommen wurden. Auch diese müssen breiter als gewöhnliche Radwege sein.

Die RVS empfehlen weiters den flächendeckenden Einsatz von sogenannten Bike-Boxen, die an Kreuzungsbereichen eine Aufstellmöglichkeit für Radfahrer vor den Autofahrern vorsehen. Dies soll verhindern, dass Lkws beim Abbiegen Radfahrer im toten Winkel übersehen. Insgesamt sind die Sichtweiten für Autofahrer bei Radfahrerüberfahrten vergrößert worden, um insgesamt Tote-Winkel-Unfälle zu verhindern.

Wichtig hervorzuheben ist, dass die RVS lediglich ein Planungsinstrument für die Anlage von Radverkehrsanlagen sind, allerdings keine verbindliche Rechtsvorschrift darstellen. Natürlich kann ein Radweg, der nicht den RVS entspricht, allenfalls eine Wegehalterhaftung für den Radweg-Errichtenden darstellen, dies muss allerdings nicht so sein. Breitere Wege und neue Anforderungen der RVS können natürlich auch dazu führen, dass erst recht keine Radwege angelegt werden, da die Entscheidungsträger sich darauf beziehen, dass der so angelegte Radweg ohnehin nicht sicher genug sei.

Mobilität für die Zukunft

Der FPÖ-Mandatar Anton Mahdalik hat in einer Presseaussendung als Reaktion auf die Veröffentlichung der RVS gefordert, den "Gefährdern am Drahtesel [nicht] weiter kiloweise Puderzucker ins Gesäß zu blasen".

Grundsätzlich dienen die RVS der Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer, allerdings wird es einen breiteren Radweg nur dann geben, wenn hier Verkehrsflächen anderer, zumeist motorisierter Verkehrsteilnehmer benachteiligt werden. Der öffentliche Raum Straße muss nicht vergrößert werden, sondern insgesamt nur neu aufgeteilt werden. Deshalb sagte Martin Fellendorf vom FSV, dass die RVS auch dann angewendet werden sollen, wenn "auch der ein oder andere Parkplatz dadurch einmal wegfällt".

Dies insgesamt vor dem Befund, dass die meisten Fahrzeuge überwiegend stehen und nicht fahren und eine Neuverteilung der Mobilität dazu führen würde, dass insgesamt auch weniger Parkmöglichkeiten benötigt werden. Hintergrund hier ist auch wieder die Erhöhung des Radverkehrsanteils, der derzeit bei etwa sechs Prozent liegt und eine Verdoppelung dazu führen würde, dass die Klimaziele eher erreicht werden und dass etwa die Hälfte aller privaten Autofahrten lediglich Strecken zurücklegt, die kürzer als fünf Kilometer sind. (Johannes Pepelnik, 8.4.2022)