Weder die EU noch die österreichische Gesetzgebung haben laut ISPA die nötigen Rahmenbedingungen für die Sperrung einzelner Medien vorgegeben.

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Seit Wochen hält sich die Diskussion im Netz, welcher Internetanbieter in Österreich denn nun bereits RT oder andere russische Propagandamedien offline geschaltet hat und wie sehr das schlussendlich gegen die Meinungsfreiheit verstoße. Hilfe aus der EU war in Form einer Umsetzung der Sanktionsverordnung, die am Donnerstag im Parlament beschlossen wird, geplant. Diese spricht allerdings nur von einer teilweisen Sperrung bestimmter Kanäle, ohne alle Betroffenen zu nennen, und es wird ebenfalls ausgespart, in welcher technischen Form diese blockiert werden müssen.

Auch die nationale Gesetzgebung eilt offenbar nicht helfend herbei, weshalb der Verband Internet Service Providers Austria (ISPA) jetzt Alarm schlägt.

Verantwortung abgeben

"Nachdem weder das Gesetz noch eine Behörde das klar festlegen, müssen jetzt also Internetanbieter anhand der Verordnung interpretieren, welche Webseiten tatsächlich gesperrt werden sollen. Das heißt, dass private Unternehmen gezwungen werden, hoheitsrechtliche Entscheidungen zu treffen, die sonst zu Recht dem Staat vorbehalten sind", sagte ISPA-Präsident Harald Kapper über die für ihn inakzeptable Situation. Genau diese Umsetzung gefährde die Meinungs- und Informationsfreiheit. In Deutschland gebe es sehr wohl eine klare Liste der zuständigen Behörden, an die sich die Internetanbieter wenden können. Dass die österreichischen Internetanbieter sich jetzt unter anderem an der deutschen Liste orientieren müssen, ohne damit die nötige Rechtssicherheit zu gewinnen, sei absurd.

Auch zur technischen Umsetzung der Maßnahmen ist im Gesetz nichts zu finden. Es können laut Kapper nämlich entweder die Domains oder die IP-Adressen der betreffenden Webseiten blockiert werden, was allerdings jeweils große Unterschiede mit sich bringt. Blockiert man etwa IP-Adressen, besteht die Gefahr, dass damit auch zahlreiche legale Webseiten blockiert werden, die die gleiche IP-Adresse haben, das sogenannte Overblocking. Der ISPA-Präsident sagt dazu: "Die Internetanbieter müssen also entweder das Risiko eingehen, dafür bestraft zu werden, dass sie völlig legale Webseiten als Kollateralschaden des Krieges mitblockieren, oder dafür bestraft zu werden, dass zu wenig umfangreich blockiert wurde." Im schlimmsten Fall könnten ein Unternehmen sogar beide Strafen gleichzeitig ereilen.

Unbekanntes Tempolimit

Das einzig Positive für die ISPA ist, dass immerhin die zuständige Behörde nun nicht mehr die vielen einzelnen Bezirksverwaltungsbehörden sind, sondern mit der KommAustria eine zentrale Behörde – die allerdings auch keinen gesetzlichen Auftrag erhält, eine für Rechtssicherheit sorgende Sperrliste zu erstellen. "Aus Sicht der Provider wäre allerdings die für Telekommunikationsagenden zuständige TKK inhaltlich näherliegend gewesen, entscheidet diese doch auch bei eventuellen Strafen der Verletzung der Netzneutralität," meint Kapper.

Es ist bei aktuellem Stand also niemand dazu befugt, inhaltlich vorab zu entscheiden, welche Webseiten konkret von den Sanktionen umfasst sind, allerdings droht bei Verstößen in die eine oder andere Richtung jedenfalls eine Strafe. Kapper sagt: "Das ist so, als würde man beim Autofahren für zu hohe Geschwindigkeiten bestraft, aber was das Tempolimit ist, erfährt man erst, wenn die Polizei einen aufhält. Bei Strafdrohungen von bis zu 50.000 Euro muss doch zumindest vorher geklärt sein, was überhaupt unter Strafe steht".

Das letztlich auf die Gerichte abzuwälzen sei eine Kompetenzauslagerung des Gesetzgebers. Das Risiko würden allerdings die Unternehmen tragen. Die ISPA fordere deshalb eine baldige Nachschärfung durch die Bundesregierung. (red, 7.4.2022)