Die drei wichtigsten aktuellen Entwicklungen auf dem Gebiet weltweiter Demokratieverhältnisse sind diese:

Russland hat sich in den letzten Jahren von einer Autokratie mit gewissen, schmalen Freiräumen zu einer hundertprozentigen Diktatur entwickelt, in der jede Opposition oder freie Meinungsäußerung brutal unterdrückt wird.

China wurde schon seit längerem von einer harten, hundertprozentigen Diktatur zu einem digitalen Überwachungsstaat, in dem auch tief in das ganz private Leben eingegriffen wird und "soziale Gut- und Schlechtpunkte" verteilt werden. Im Grunde die furchterregendste Entwicklung.

Österreich ist im Demokratieranking abgestiegen.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Mindestens so beunruhigend ist die tiefe Spaltung der amerikanischen Demokratie, wo die Republikanische Partei von Rechtsnationalisten übernommen wurde, die Minderheiten mit administrativen Tricks das Wahlrecht einschränken wollen – um die "weiße Vorherrschaft" aufrechtzuerhalten. Wenn einmal zwei Drittel der republikanischen Wähler echt glauben, dass Joe Biden nicht rechtmäßig gewählt wurde, steht es schlecht um die amerikanische Demokratie. Und damit um die Sache der Demokratie überhaupt.

Spielt es da noch eine Rolle, dass Österreich von einem Institut an der Universität Göteborg von einer "liberalen Demokratie" auf eine "Wahldemokratie" herabgestuft wurde? Für die meisten von uns schon, denn wir leben hier und hätten gerne eine qualitätsmäßig höherstehende Demokratieform.

"Wahldemokratie" heißt in dem Zusammenhang, es finden in einem Land zwar freie, allgemeine und faire Wahlen statt, aber sonstige Parameter wie politische Kultur, Transparenz der politischen und administrativen Vorgänge, wenig Korruption, keine versteckten Einflüsse von mächtigen Interessengruppen usw. sind nicht oder nur in geringem Ausmaß gegeben. Im Gegensatz zur "liberalen Demokratie", die sich durch Toleranz, offenen Diskurs, transparente Machtverhältnisse etc. auszeichnet.

Transparenz politischer Vorgänge

Das schwedische Institut kennt bei seinem "V-Dem"-Projekt ("Varieties of Democracy") noch die "Wahlautokratie", in der Wahlen nur noch rein formell stattfinden, sowie eine geschlossene Autokratie, in der ohne Wahlen geherrscht wird.

Österreich ist im Ranking abgestiegen, weil diverse Vorhaben, wie etwa ein Informationsfreiheitsgesetz und generell die Transparenz politischer Vorgänge, nicht umgesetzt wurden. Man könnte es aber auch als Mischform zwischen einer liberalen Demokratie und einer Wahldemokratie bezeichnen.

Eine Zeitlang, während der türkis-blauen Koalition unter Sebastian Kurz und H.-C. Strache waren wir übrigens durchaus unterwegs zu einer Wahlautokratie nach ungarischem Viktor-Orbán-Modell. Es gab Versuche, die Justiz und kritische Medien einzuschränken. Orbáns jüngster Wahltriumph ist natürlich darauf zurückzuführen, dass die Opposition schwer behindert und die kritischen Medien abgewürgt wurden; er zwingt aber auch, der Tatsache ins Auge zu sehen, dass es genug Wähler gibt, die nichts gegen autoritäre, antidemokratische Politik haben.

Österreichs Demokratie wurde durch die Entfernung von Sebastian Kurz vor einer solchen Entwicklung bewahrt. Daran haben die Grünen großes Verdienst. Aber seither haben die Grünen tragisch ausgelassen.

Wir haben derzeit andere Sorgen, heißt es gelegentlich. Und die Aufarbeitung dieses üblen Geflechts von unguten Sitten und Machtmissbrauch (Stichwort: "Hure der Reichen") durch U-Ausschüsse sei jetzt irgendwie nicht vorrangig – das kann man auch in früher halbwegs kritischen bürgerlichen Blättern lesen. Aber es ist ein Irrtum autoritärer Charaktere, dass "ein bisschen russische Demokratur" (und Kleptokratie) eine gute Wirtschafts-, Sozial-und Energiepolitik macht. (Hans Rauscher, 9.4.2022)