Fatima wechselt die Schule, da es an ihrer alten einen muslimfeindlichen Vorfall gab. Nun ist sie die einzige Schülerin mit Kopftuch.

Foto: Luiza Puiu

Gründe, warum junge Frauen ein Kopftuch tragen, gibt es viele – ebenso vielen befremdlichen Blicken und Mutmaßungen sind Kopftuch tragende Musliminnen ausgesetzt: Sie werden doch bestimmt dazu gezwungen oder gehören einer extremistischen Gruppierung an. Nichtmuslime sehen die Kopfbedeckung oft kritisch, wissen aber wenig darüber und verfallen leicht Klischees, so die These des Stücks Dschabber. Eine jugendliche, rührende Liebesgeschichte dient dem kanadischen Autor Marcus Youssef als Rahmen, um diese Stereotype auf der Bühne zur Diskussion zu stellen. Im Vestibül des Burgtheaters ist Dschabber erstmals in Österreich zu sehen.

Wiener Verhältnisse

Anja Sczilinski, die Leiterin des Burgtheaterstudios, hat das Stück inszeniert, sechs junge Ensemblemitglieder des Studios agieren zusammen mit einer professionellen Darstellerin auf einer schwarzen, reduziert gestalteten Bühne. Sczilinski hat die Geschichte nach Wien transferiert: Burgschauspielerin Dunja Sowinetz ist Vertrauenslehrerin der Schule in der Rahlgasse, und die schlagfertige junge Muslima Fatima nennt ihren neuen Mitschüler Jonas nicht "Lutscher", wie es in der Übersetzung von Bastian Häfner heißt, sondern "Wappler". Solches Lokalkolorit gelingt der Produktion überwiegend gut.

Fatima wechselt in die Rahlgasse, da es einen muslimfeindlichen Vorfall in ihrer alten Schule gab. Dort war sie nicht die einzige Kopftuchträgerin, ihre Freundinnen und sie nennen sich "Dschabber", was sich von Hidschab ableitet. Nun ist sie jedoch die einzige Schülerin, die auf diese Weise "anders" ist. Den Anschluss zu finden fällt ihr schwer.

Doch auch Jonas hat seine Schwierigkeiten, er wächst in einer von Gewalt gezeichneten Familie auf. Die beiden freunden sich an, natürlich geschieht das nicht reibungslos.

Fatima und Jonas wurden jeweils mehrfach besetzt, wobei die verschiedenen Darsteller gleichzeitig agieren. Das gibt der Erzählung Tiefe und verleiht den Figuren die nötige Vielschichtigkeit, geht es doch darum, Fatima (Miriam Bahri, Jihen Djemai und Emilia Mihellyes) jeder eindimensionalen Betrachtung zu entziehen.

Mehr Austausch

Im Aufeinandertreffen mit Jonas (Lukas Coleselli, Kevin Koller) soll deutlich werden, dass es zwischen den Mitmenschen in unserer Gesellschaft an Austausch fehlt – insbesondere über die Communitys hinweg. Das Stück richtet sich an ein Publikum ab 13 Jahren, das dieser Realität ehrlich und auch auf humorvolle Art begegnet. (Lisa Kammann, 11.4.2022)