Der Prozessfinanzierer Advofin sieht bei der Sammelklagen gegen die Mehrwertsteuer auf das ORF-Programmentgelt einen "Etappensieg".

Foto: APA/HARALD SCHNEIDER

Wien – Die Sammelklage des Prozessfinanzierers Advofin gegen die Mehrwertsteuer auf das ORF-Programmentgelt ist nunmehr ein Fall für den Europäischen Gerichtshof (EuGH), berichtet der "Kurier". Advofin-Chef Gerhard Wüest sieht darin einen "Etappensieg". Der Verwaltungsgerichtshof habe "dem EuGH ein sogenanntes Vorabersuchen vorgelegt, weil hier eine europarechtliche Frage zu klären ist", wird Wüest zitiert.

Der Prozessfinanzier hat im Oktober 2018 eine Konsumentensammelklage gegen die Einhebung der Mehrwertsteuer (zehn Prozent) auf die ORF-Gebühren gestartet – DER STANDARD berichtete. Für rund 34.000 Österreicherinnen und Österreicher werden 100 Sammelklage-Musterverfahren zwecks Rückerstattung der Mehrwertsteuer geführt.

Rückforderung für vergangene fünf Jahre

Wenn Advofin mit der Klage Erfolg hat, muss künftig weniger GIS-Gebühr bezahlt werden. Derzeit macht die zehnprozentige Umsatzsteuer auf das Programmentgelt 1,86 Euro aus. Aber auch eine Rückforderung von rund 100 Euro für die vergangenen fünf Jahre wäre möglich. In Summe würde das bei 3,3 Millionen GIS-Kundinnen und Kunden bis zu 330 Millionen Euro ergeben. Rückerstatten müsste dies die Republik – aber der ORF würde damit die Möglichkeit auf Vorsteuerabzug verlieren.

Advonfin-Chef Wüest argumentiert laut "Kurier", dass das Verrechnen der Mehrwertsteuer auf eine Gebühr "grundsätzlich nach der Mehrwertsteuer-Richtlinie der EU nicht erlaubt" sei. Diese Frage muss nun der EuGH beurteilen, danach fällt es dem österreichischen Verwaltungsgerichtshof zu, ein Urteil fällen.

Parallelen zu tschechischem Rundfunk

Advofin-Anwältin Fiona List sieht laut dem Artikel Parallelen zu einer früheren EuGH-Entscheidung im Zusammenhang mit dem tschechischen Rundfunk, bei der die Gebührenzahler recht bekamen. Dabei ging es um die Frage, ob auf Konsumentenseite ein freiwilliges Rechtsverhältnis eingegangen wird – "das heißt, wenn ich freiwillig einen Vertrag abschließen will, aufgrund dessen ich das ORF-Programmentgelt zahlen muss", wird List zitiert. Dieser Fall sei hier nicht gegeben.

Die GIS hält das Verfahren vor dem EuGH laut "Kurier" hingegen für "nicht nötig". Die Gebührenbehörde beruft sich demnach darauf, "dass sich Österreich im Zuge der EU-Beitrittsakte eine Ausnahmebestimmung für die Zulässigkeit der weiteren Besteuerung des lange vor dem EU-Beitritt eingeführten ORF-Programmentgelts gewähren ließ". Eine solche Ausnahmeregelung sei in die im November 2006 beschlossene Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie der EU übernommen worden.

Streaminglücke

Später im Jahr erwartet der ORF auch eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH): Dabei geht es um die Frage, ob Gebührenpflicht für TV und Radio, aber nicht für Streaming mit dem Gleichheitsgrundsatz und dem Bundesverfassungsgesetz Rundfunk vereinbar ist. Der ORF hat Beschwerde eingelegt und hofft, auf diese Weise die sogenannte Streaminglücke zu schließen, sprich: die Gebührenfreiheit für rein internetbasierte Nutzung auch von ORF-Programmen. Die Behandlung durch den VfGH war für den März geplant, wurde aber vertagt. (red, APA, 13.4.2022)