Hohe Nachzahlungen können existenzbedrohend sein.

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Einmal pro Woche findet beim Verein Sunwork in Wien-Ottakring eine Energiesprechstunde statt. Menschen aus sozial schwächeren Haushalten wird dort dann erklärt, wie man eine Wohnung richtig beheizt und lüftet und warum es keinen Sinn macht, sich mit Strom betriebene Heizkörper aufzustellen, wenn die Wohnung bereits am Fernwärmenetz hängt.

Die Energieberaterinnen, die auch Afghanisch und Arabisch sprechen, stehen auch telefonisch bei Fragen zur Seite: Bis zu 100 Anfragen erreichen sie pro Person und Woche. Die Nachfrage sei derzeit riesig, berichtet Jörg Jozwiak vom Verein Sunwork – besonders, seit sich in den Communitys herumgesprochen hat, dass Energieberatungen auch von Muttersprachlerinnen angeboten werden.

Hausbesuche, um Menschen individuell zu beraten, sind daher derzeit kaum möglich. Großes Thema sind bei den Gesprächen teils sehr hohe Nachzahlungen, die viele Haushaltsbudgets sprengen. Manche kamen im Winter auch erst, als das Abschalten der Heizung unmittelbar bevorstand. Angesichts weiter steigender Energiekosten wegen des Ukraine-Krieges rechnet Jozwiak aber nochmals mit einem Anstieg der Anfragen, wenn die nächste Jahresabrechnung kommt.

Bei hohen Nachzahlungen versucht man beim Verein Sunwork zuerst zu vermitteln und beispielsweise Ratenzahlungen zu vereinbaren oder um einen Aufschub beim Energieversorger zu bitten. Außerdem wird an die MA 40 vermittelt, bei der es für solche Fälle Hilfe in bestimmten Lebenslagen gibt.

Richtiges Heizen

Energieberatungen vor Ort bietet beispielsweise "Die Umweltberatung" an. Ein häufiger Fehler ist laut Sabine Vogel, Expertin für Bauen, Wohnen und Energie, zum Beispiel, dass Räume für wenige Stunden auf 25 bis 27 Grad aufgeheizt werden, und die Heizung dann wieder abgedreht wird. "Das ist, wie wenn man mit Vollgas und Vollbremsung von einer Ampel zur nächsten fährt", sagt Vogel.

In Wohnungen, in denen gleichmäßiger geheizt wird, wärmen sich mit der Zeit Boden und Wände auf, das spart langfristig Energie. Die ideale Temperatur liegt daher laut Vogel zwischen 18 und 22 Grad, wenn man zu Hause ist. Sinnvoll könne auch sein, die Räume, in denen man sich viel aufhält, mehr zu heizen als andere. Wichtig sei dann aber, die Türen zu den kühleren Räumen geschlossen zu halten. Mit dem richtigen Heizen geht auch das richtige Lüften einher. Hier empfehlen Expertinnen und Experten das Quer- bzw. Stoßlüften. Oftmals wird aber fälschlicherweise stundenlang das Fenster gekippt, wodurch die Wohnung weiter auskühlt.

Auch Raumthermostate werden bei den Hausbesuchen erklärt, im besten Fall auch auf das Nutzungsverhalten hin programmiert. Die Warmwassertemperatur, weiß Vogel, ist bei Thermen vom Installateur zudem oft zu warm eingestellt. Sie sollte bei 55 Grad liegen, die Vorlauftemperatur in alten Gebäuden zwischen 65 und 70 Grad.

Wechsel nicht sinnvoll

Mit Fensterdichtungen vom Baumarkt können zudem undichte Kastenfenster in alten Häusern unkompliziert abgedichtet werden, "aber immer nur das Innenfenster, nicht das Außenfenster", betont Vogel. Ansonsten entsteht zwischen den Fenstern Kondenswasser. Auch Vorhänge können bei alten Fenstern in der Nacht helfen, die Wärme im Raum zu behalten, solange sie nicht über die Heizkörper hängen.

Noch etwas betont die Expertin: "Es bringt jetzt auch nichts, den Anbieter zu wechseln, weil die Preise überall ähnlich hoch sind."

Bleiben also viele kleine Maßnahmen. Vor der hohen Jahresabrechnung werden sie viele Menschen dennoch nicht retten: "Das wird nicht nur die einkommensschwachen Haushalte treffen", stellt Vogel klar. "Sondern uns alle."

Hilfe in Notlagen

Bei der Stadt Wien rechnet man aufgrund der gestiegenen Kosten für Strom und Gas mit Mehrkosten von 500 Euro für einen durchschnittlichen Haushalt und weitet daher beispielsweise das Programm Wiener Energieunterstützung mit einer "Wiener Energieunterstützung Plus" aus. Damit werden Menschen bei Nachzahlungen unterstützt, auch der Umstieg auf nachhaltige Energieformen wird gefördert. Unterstützung in Härtefällen bietet auch der Verbund Stromhilfefonds der Caritas oder die Individuelle Spontanhilfe beim Roten Kreuz.

Klar ist: Mit dem Abstottern der Energierechnungen ist es oft nicht getan. In vielen Wohnungen hängen noch Gasthermen. Bis 2040 müssen sie Geschichte sein. Bleibt die Frage, ob all das durch Förderungen und Anreize für Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer abgefangen werden kann – oder ob weitere Kosten auf Mieterinnen und Mieter zukommen. (Franziska Zoidl, 16.4.2022)