Eine Form mit zwölf kleinen Haseneinbuchtungen liegt vor Elias Klausriegler auf einer metallenen Arbeitsplatte. Akribisch befüllt der 16-Jährige erst alle Dellen für die Augen, dann jene für die Schwänzchen – Blumen im Jägerjargon genannt – mit weißer Schokolade aus einem Papierstanitzel. Sind die Highlights des Hasens getrocknet, folgt rosarote Himbeerschokolade in den restlichen Körper des süßen Ostergeschenks.

Die Augen und Schwänzchen werden weiß.
Foto: Christian Fischer

Hat Klausriegler die befüllten Hasenhälften mit dem Gegenstück verschlossen, werden sie erst per Hand, dann von einer Schleudermaschine geschüttelt und gedreht, bis die Schoko in den hintersten Winkel der Vorlage gedrungen, die letzte Luftblase verdrängt und der Hohlkörper gleichmäßig getrocknet ist.

Zuerst wird von Klausriegler und seinen Kolleginnen per Hand geschüttelt.
Foto: Christian Fischer

Neun Lehrlinge in Österreich

Klausriegler ist einer der ersten neun Lehrlinge im neuen dreijährigen Lehrberuf Chocolatier beziehungsweise Chocolatière, die in Österreich derzeit ausgebildet werden. "Schon als Kind habe ich gerne mit Schokolade gearbeitet", sagt der Lehrling. Das heißt: Süßigkeiten wurden eingeschmolzen, und dann wurde aus der Masse etwas Neues geformt und "mit allem Möglichen dekoriert".

Im ersten Lehrjahr lernt Klausriegler in der Berufsschule Baden erst einmal alles über die Rohstoffe, mit denen er arbeitet, und deren Herstellung. Neben Kakao und Schokolade sind das Marzipan und Nougat sowie "Streumaterial" – also karamellisierte Kerne, Nüsse oder Früchte.

Bei Xocolat von Werner Meisinger arbeiten sieben Konditorinnen und Konditoren. Jetzt hat er auch einen Chocolatier-Lehrling.
Foto: Christian Fischer

Kurz vor Weihnachten hatte Klausriegler dann den ersten Tag in der Schokoladenmanufaktur seines Wiener Lehrbetriebs Xocolat. Dort sammelte er zu Beginn Erfahrung mit Tafeln und Pralinen – unter den Anweisungen von sieben ausgebildeten Konditorinnen und Konditoren. "Weil es bisher ja noch keine Chocolatiers gab", sagt der Gründer von Xocolat, Werner Meisinger. Was der Unterschied zum neuen Lehrberuf ist? "Im Grunde genommen sieht Elias niemals einen Mürbteigboden. Ein Konditor arbeitet mit Teigen, der Chocolatier arbeitet nicht damit. Wir haben in unserer Betriebsstätte null Gramm Mehl."

Hochsaison für Schokolade

Für das, was Klausriegler mittlerweile in Rudolfsheim-Fünfhaus erzeugt, ist derzeit Hochsaison: Allein in der Bundeshauptstadt werden laut Zahlen der Wirtschaftskammer Wien vier Millionen Schokohasen verschenkt – auf die gesamte Wiener Bevölkerung gerechnet sind das pro Kopf mehr als zwei Hasen. Doch auch abseits der Feiertage sind Österreicherinnen und Österreicher große Naschkatzen – auf jede Person entfallen 8,1 Kilogramm Schokolade im Jahr. Nur in der Schweiz wird im Schnitt etwas mehr Schokolade gegessen.

Der große Feldschokohase braucht 150 Gramm Schokolade.
Foto: Christian Fischer

Aus der Xocolat-Manufaktur in Wien hoppeln weit weniger Hasen in Richtung Geschäfte: Rund 13.700 Stück sind es – doch nicht alle sind rosa, klein und hohl. Für den großen, aber schlichteren Feldhasen, der stark an das in der Albertina beheimatete Aquarell von Albrecht Dürer erinnert, kommen 150 Gramm Schokolade in die Form. Blonde Flachhasen aus karamellisierter weißer Schokolade erhalten mit flüssiger Schoko eine Wiese aus Pistazien und Ohren – besser gesagt Löffel – aus Nüssen angeklebt.

Neben Hasen kommen auch Schokoeier ins Osternest.
Foto: Christian Fischer

Verkauft werden alle. Am Ostersonntag werde jeder Hase ein Nest gefunden haben, versichert Meisinger: "Wir haben keine Überproduktion, weil wir die Sachen nicht wegschmeißen wollen – bei uns bleibt alles im kleinen Maßstab. 13.000 Hasen klingt viel, aber Milka beispielsweise muss dafür nur einmal den Schalter umlegen."

Keine Fehler erlaubt

Was die größte Herausforderung in der Osterhasenproduktion ist? Die Temperatur. "Schokolade verzeiht keine Fehler", sagt Meisinger. Erst muss die Schokolade auf mehr als 40 Grad erwärmt werden – dafür schmelzen Schokochips durch ein Gerät, das wie eine riesige Eismaschine aussieht.

Schokolade wird entweder von der Maschine oder von Klausriegler auf einer Steinplatte temperiert.
Foto: Christian Fischer

Dann wird die Masse wieder auf unter 30 Grad gekühlt – das macht das gleiche Gerät oder die Schokolade wird auf einer Steinplatte per Hand gestrichen und gekühlt. Nur so erhält sie jene Eigenschaften, mit denen ein süßer Osterhase – abgesehen vom Geschmack – punkten kann: einen schönen Glanz und den richtigen Knack. (Oona Kroisleitner, 16.4.2022)