Werner Kogler (links) hat sich mit 99,02 Prozent die Latte im Jahr 2018 selbst sehr hoch gelegt. Damals herrscht Ausnahme-situation. Für Karl Nehammer hat Sebastian Kurz die Hürde bei 98,7 Prozent hingelegt, das ist hoch, sollte in der ÖVP aber machbar sein.

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Den beiden Koalitionsparteien ÖVP und Grüne stehen demnächst Parteitage bevor. Die Parteispitze wird neu gewählt oder bestätigt. Als Erste sind die Grünen dran, ihr Bundeskongress findet am 30. April in Villach statt. 290 Delegierte sind eingeladen, Abendprogramm ist am Wörther See in Klagenfurt vorgesehen. Bundessprecher Werner Kogler muss sich seiner Wiederwahl stellen, die Hürde wurde 2018, da befanden sich die Grünen in außerparlamentarischer Opposition, hoch gelegt: Kogler kam als Nachfolger des furios gescheiterten Spitzenduos Ingrid Felipe und Ulrike Lunacek auf 99,02 Prozent Zustimmung, ein Ergebnis, das sich nur schwer wiederholen lassen wird.

Kogler hatte damals übrigens angekündigt, die Funktion des Bundessprechers nur für zwei Jahre auszuüben und danach an eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger zu übergeben. Was er nicht tat. Kogler bleibt auch weiterhin an der Spitze der Partei. Ungeklärt ist allerdings, ob er für die Grünen als Spitzenkandidat in die Nationalratswahl gehen wird, die regulär spätestens im September 2024 stattfinden sollte.

Komplizierte Organisation

Kogler wird jedenfalls eine neue Stellvertreterin bekommen, nämlich Umweltministerin Leonore Gewessler. Sie wird anstelle der Abgeordneten Nina Tomaselli nachrücken, die sich auf ihre Arbeit im parlamentarischen Untersuchungsausschuss konzentrieren möchte. Diese Rochade wird allerdings nicht beim Bundeskongress erfolgen, sondern bei einem erweiterten Bundesvorstand, für den es noch keinen Termin gibt. In Organisationsfragen mögen es die Grünen gerne kompliziert: Ein solcher Bundesvorstand wird zwar am Freitag vor dem Bundeskongress in Villach abgehalten, aus formalen Gründen wird die Wahl der Stellvertreter aber erst zu einem späteren Termin möglich sein. Als Stellvertreter wiedergewählt werden soll Stefan Kaineder, grüner Parteichef in Oberösterreich.

Kaineder wird als Zukunftshoffnung der Grünen gehandelt und ist neben Gewessler auch als möglicher Nachfolgekandidat von Kogler im Gespräch. Gewesslers Kür soll das Umweltthema noch stärker in den öffentlichen Fokus rücken. Umstritten ist allerdings, ob Gewessler im Fall des Falles tatsächlich die Fähigkeiten hat, die es braucht, eine Partei erfolgreich anführen zu können. Bei aller Sachkompetenz, die ihr zugestanden wird, gibt es daran auch bei den Grünen erhebliche Zweifel.

Ob Kogler überhaupt Spitzenkandidat sein mag und ob das strategisch schlau ist, werden die Grünen im kommenden Jahr herauszufinden versuchen. An sich steht die Partei loyal hinter Kogler, der in schwierigster Zeit die Führung übernommen hat, die Grünen konsolidiert und zurück in den Nationalrat geführt hat. Wie positiv die Regierungsbeteiligung der Grünen bei den Wählerinnen und Wählern schlussendlich aufgenommen wird und ob das Kogler als Verdienst angerechnet wird, wird sich erst zeigen. Noch sind die Grünen zentrale Wahlversprechen schuldig geblieben. Für Unmut und Unruhe auch parteiintern sorgt vor allem der Umstand, dass mit der ÖVP weder das Amtsgeheimnis abgeschafft noch ein schärferes Korruptionsstrafrecht umgesetzt werden konnte. Beides sind zentrale Forderungen, die Kogler mit Nachdruck bei der ÖVP deponiert hat.

Beim Bundeskongress am 30. April wird auch der Parteivorstand neu gewählt, aus dem bisherigen Führungsgremium scheiden Tomaselli, Ewa Ernst-Dziedczic und Rudi Hemetsberger aus, neu hineingewählt werden sollen Meri Disoski, Olga Voglauer, Eva Hammerer und Georg Prack.

Die ÖVP wird ihren Parteitag am 14. Mai in Graz abhalten, erwartet werden mehr als tausend Gäste. Höhepunkt ist die Wahl des designierten Bundesparteiobmannes Karl Nehammer, der seit 6. Dezember als Nachfolger von Sebastian Kurz und Alexander Schallenberg Bundeskanzler ist. Programmatischer Schwerpunkt wird die Rede des Parteichefs sein.

Nehammer ist bereits der sechste Chef der Volkspartei seit 2007. Nach der langen Ära von Wolfgang Schüssel hatten Wilhelm Molterer, Josef Pröll, Michael Spindelegger, Reinhold Mitterlehner und Kurz jeweils relativ kurze Amtszeiten. Nehammer muss sich am Ergebnis von Kurz messen, der im Juli 2017 bei einem Bundesparteitag mit 98,7 Prozent zum Parteichef gewählt wurde.

Die Stellvertreter des Parteichefs werden bei diesem außerordentlichen Parteitag nicht gewählt, es bleiben die gleichen: Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer, die Vorarlberger Kommunalpolitikerin Veronika Marte und die steirische Landesrätin Barbara Eibinger-Miedl. Ihre Funktionsperioden sind noch nicht ausgelaufen.

Nachdunkeln

Spannend sind bei der Volkspartei die Diskussionen im Hintergrund: Soll die Parteifarbe wieder geändert, soll der Parteiname wieder normalisiert werden? Unter Sebastian Kurz wurde die ÖVP von Schwarz auf Türkis umgefärbt, aus der Volkspartei wurde "Die neue Volkspartei". In der Partei wird jetzt beraten, ob das Türkis abgedunkelt und das neu im Namen gestrichen werden soll. Eine schwierige Entscheidung, denn als alte Volkspartei will auch niemand dastehen. Dennoch gibt es Bemühungen, sich der Hinterlassenschaften von Kurz zu entledigen. Ein Beschluss wurde noch nicht gefasst. Aus der Partei gibt es dazu offiziell keinerlei Kommentar. Intern heißt es, die Entscheidung sei schlicht noch nicht gefallen.

Was aus der Ära Kurz jedenfalls bleiben soll, sind die weitreichenden Befugnisse, die sich dieser als Parteichef im Statut zusichern ließ. Da geht es in erster Linie darum, Personalentscheidungen ohne Rückfrage in den Parteigremien treffen und ein Regierungsteam ohne Nachfrage zusammenstellen zu können. Damals bedeutete das die formale Entmachtung der Landeshauptleute. Diese haben mittlerweile ihren Einfluss in der Partei zurückerobert und sind sich ihrer Sache so sicher, dass sie dem Parteichef gerne seine Rechte auf dem Papier lassen. Sie wissen ohnedies, dass Parteichef Nehammer auf sie hört, man könnte auch sagen, ihnen hörig ist. Realpolitisch geben die Landeschefs den Ton in der Gesinnungsgemeinschaft an. (Michael Völker, 17.4.2022)