Das russische Verteidigungsministerium zeigte Bilder der Moskwa-Überlebenden.

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Der Untergang des russischen Kriegsschiffs Moskwa schlägt immer höhere Wellen. Nicht nur die Erklärungen aus Moskau, wonach der Stolz der Schwarzmeerflotte durch einen Unfall und nicht den Beschuss der ukrainischen Armee gesunken sei, erweisen sich als Blendgranaten, sondern auch die Mauer des Schweigens rund um mögliche Opfer unter der Crew bröckelt. Denn die Eltern der Matrosen suchen ihre Söhne und wollen Antworten.

So etwa die Angehörigen von Yegor Schkrebets, der als Schiffskoch auf der Moskwa im Einsatz war. Der 20-Jährige meldete sich zum letzten Mal am 9. April bei seiner Mutter. Über eine fremde Nummer ließ er sie wissen, dass er keinen Kontakt mehr halten könne, erzählt die Frau dem unabhängigen russischen Nachrichtenportal The Insider. Vergangene Woche wurde das Schiff getroffen, Schkrebets ist verschwunden.

Auf die Krim gereist

Auf der Suche nach ihrem Sohn reisten seine Eltern auch in ein Militärkrankenhaus auf der von Russland besetzten Krim-Halbinsel: "Wir haben uns jedes verbrannte Kind angesehen", erzählte die Mutter The Insider: "Ich kann gar nicht beschreiben, wie hart das war. Aber meinen Sohn habe ich nicht gefunden." Rund 200 Matrosen hätten sich in dem Spital befunden – mehr als 500 Mann Besatzung wären auf dem Schiff gewesen, sagte sie.

Auch Julia Tsywowa sucht die Öffentlichkeit, um über das Schicksal ihres 19-jährigen Sohnes Andrej zu sprechen. Er war als Rekrut ebenfalls auf der Moskwa, und am Montag informierten die russischen Behörden die Frau über seinen Tod, wie sie am Telefon dem Guardian erzählte.

Gebrochenes Versprechen

Offiziell ist Andrej erst der zweite bestätigte Tote im Zusammenhang mit dem Untergang. Nähere Informationen, wie ihr Sohn gestorben sei, erhielt Tsywowa nicht. Eigentlich hätte Andrej sich gar nicht an Bord befinden sollen – hatte der russische Präsident Wladimir Putin doch Anfang März versprochen, dass keine Rekruten in die Ukraine geschickt werden. Verteidigungsminister Sergej Schoigu hatte das Anfang April öffentlich bekräftigt.

Angaben zu Toten innerhalb des russischen Militärs sind in Friedenszeiten Staatsgeheimnis. Ein entsprechendes Dekret unterzeichnete Putin 2015. Und die Kämpfe in der Ukraine gelten ja offiziell als "Spezialeinsatz" und nicht als Krieg. Laut Nachrichtenportal Meduza sollen auf der Moskwa mehr als drei Dutzend Soldaten gestorben sein, rund 100 wurden verletzt. Man beruft sich auf eine hochrangige Quelle aus der russischen Schwarzmeerflotte.

Gefahr durch Soldateneltern

Der Druck der Soldatenmütter, die sich seit den 1980er-Jahren in Russland organisieren, hat bereits früher etwas bewirkt. So konnten die Mütter der Tschetschenien-Soldaten die Dauer des Grundwehrdiensts von 24 auf zwölf Monaten drücken, den Zivildienst als Alternative erwirken.

Die "Wut und der Hass der Familienmitglieder der gefallenen russischen Soldaten" könnten auch jetzt eine Gefahr für die öffentliche Unterstützung für Putins Krieg darstellen, sagt Osteuropa-Expertin Ingrid Gössinger zum STANDARD. Viele von ihnen seien für den Krieg gewesen, seien der Kriegspropaganda Putins aufgesessen und würden jetzt die Kosten tragen: "Es ist diese Gruppe, die das Blatt im Krieg wenden könnte." (Bianca Blei, 20.4.2022)