Streetfood auf ausrangierten Bänken des Wiener Eislaufvereins: Der Schanigarten des XO Grill in der Kettenbrückengasse.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Fleischereien mit angeschlossenem Wirtshaus oder Imbiss haben zu Recht eine lange Tradition. Fleischer sitzen schließlich an der Quelle für köstliche, aber arbeitsintensive Teile des Tiers, die zu deftigen Herrlichkeiten wie Gulasch, Beuschl oder faschierten Laberln veredelt werden können. Mit dem Fleischersterben ist allerdings auch diese Institution in den letzten Jahren selten geworden. Robert Weishuber und Ben Hofer sind nun ausgerückt, ihr neues Leben einzuhauchen und sie ins Heute zu holen.

Weishuber ist gelernter Koch und Marketingveteran, Hofer war viele Jahre in London in der Spitzengastronomie tätig. Die zwei haben bereits einmal die Zeichen der Zeit erkannt und mit ihrem Projekt "XO Beef" eine höchst erfolgreiche, moderne Fleischerei aufgezogen: kein fixes Geschäftslokal, aber Standl am Karmelitermarkt und Onlineshop, und statt fadem Jungstier nur Fleisch von alten Milchkühen, die über viele Jahre auf der Weide reifen durften – das XO im Namen ist kurz für "Xtra Old". Wer einmal ein solches XO Steak gekostet hat, der will so schnell nichts anderes mehr.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Sternekoch am Grill

Noch im Lockdown eröffneten sie den XO Grill, ein Pop-up-Take-away mit Burger von der alten Kuh und Valentin Gruber-Kalteis am Grill, was XO Grill zum wohl einzigen Burgerladen der Stadt mit Sternekoch machte. Ihr Smashed Burger entwickelte sich rasch zum gefragtesten Fleischlaberl der Stadt. Aus dem Pop-up ist ein fixes Lokal in der Kettenbrückengasse geworden, mit Schanigarten, Weinkühlschrank, Selbstbedienung und ständig wachsender Karte. Hier kann man kosten, wie gut Fastfood sein kann, wenn es mit Liebe, Verstand und guten Zutaten gemacht wird.

Satay-Spieße
Foto: Gerhard Wasserbauer

Der Star der Show ist nach wie vor das XO Fleisch mit seinem erstaunlichen Aroma. Statt nur Faschiertes zu verwenden, darf Gruber-Kalteis jetzt aber aus dem Vollen schöpfen: Verkocht wird, was in der XO Fleischerei gerade zur Genüge vorhanden ist. Er macht daraus üppig gewürztes Fingerfood mit Inspirationen aus allen Ecken und Enden der Welt – ein herrlich dreckiges Vergnügen, perfektes Kateressen, das auch völlig nüchtern Spaß macht.

Es gibt Beef Rendang, den malaysischen Curryklassiker mit ordentlich Galgant, Kokos und Garnelenpaste, der hier nicht gelöffelt wird, sondern mit japanischen Pankobröseln zu extraknusprigen Kroketten gebacken; Naan, frisches indisches Flachbrot, gefüllt mit currylastig gewürztem Faschierten und Koriander, bei dessen Verzehr einem der köstliche Saft über die Finger rinnt; oder Satay-Spieße mit erfreulich bissfesten Rindsfiletspitzen, mariniert in allem, was südostasiatisches Essen köstlich macht, und cremigem Erdnussbutterdip mit Suchtfaktor.

Burger von der alten Kuh mit seinen tiefen, intensiven Fleisch- und Röstaromen gibt es natürlich immer noch. Nun ist auch eine vegetarische Version dazugekommen. Statt mit rehydriertem Erbsen- oder Sojaprotein wird sie mit einem knusprig frittierten Portobellopilz belegt, der auch Fleischfressern Spaß macht. Korean Fried Chicken mit seiner süß-scharfen Würze stand hier Pate.

Knusprig frittierter Portobellopilz als vegetarische Burger-Version.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Bühne frei für Gastköche

Die Pommes werden, noblesse oblige, mit der Hand geschnitten – wer ihr super Kartoffelaroma und den knusprigen Biss so richtig genießen möchte, bestellt sie lieber nicht "dirty", sondern "clean", also ohne standardmäßig draufgepappte Currymayo und Kräuter.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Runtergespült werden kann das alles mit diversen Naturweinen, guten Bieren (Trumer vom Fass, Schalken), Cocktails aus der Flasche, Schnäpsen und Dosencocktails von den skandinavischen Kultbrennern Empirical sowie echt österreichisch köstlichen Tonics und Bitter Oranges von Pona. Sehr hip und trotzdem richtig gut.

Das Menü soll variabel bleiben und der XO Grill eine Bühne werden, auf der auch andere Spitzenköche ihre schmutzigen Fastfood-Fantasien ausleben können: Den Anfang macht Lukas Mraz am Samstag, 30. April mit einem Smashed Köfte Sandwich mit Kräutersalat – sein Zwei-Sterne-Lokal liegt schließlich unweit des Hannovermarkts, einer der bunteren Gegenden der Stadt. Der nächste Streich, nach einer Idee von Philip Rachinger vom Mühltalhof, ist dem Vernehmen nach in Vorbereitung. (Tobias Müller, RONDO exklusiv, 29.4.2022)