Ex-Ministerin Sophie Karmasin arbeitete jahrelang mit Sabine Beinschab zusammen. In der Umfragen-Affäre prallen nun ihre Verteidigungsstrategien aufeinander.

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Der Kronzeugenstatus ist eine Rarität in der österreichischen Justiz: Erstmals im Rahmen des Telekom-Verfahrens umgesetzt, kommt er gerade in öffentlichkeitswirksamen Ermittlungen nur selten zur Anwendung. Doch im Ibiza-Komplex gab es von Beginn an viele Spekulationen, ob nicht einer der dutzenden Beschuldigten auspacken würde. Es dauerte bis zur Umfragen-Affäre, bis es so weit war: Die beschuldigte Meinungsforscherin Sabine Beinschab hat wie berichtet offiziell den Antrag auf Kronzeugenschaft gestellt.

Sie hat in zahlreichen Einvernahmen sich selbst und andere Beschuldigte schwer belastet, nicht zuletzt ihre frühere Chefin und Geschäftspartnerin Sophie Karmasin – die aufgrund der auch von Beinschab aufgeworfenen Verdachtsmomente sogar zeitweise in Untersuchungshaft musste.

Rechtliche Voraussetzungen

In einer Stellungnahme an das Justizministerium und die ermittelnde Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) argumentiert Norbert Wess, einer von Karmasins Anwälten, nun gegen einen Kronzeugenstatus für Beinschab. "Absolut unzulässig" wäre dieser, weil mehrere rechtliche Vorgaben nicht erfüllt würden, meint Wess. In seinem Schreiben geht er auf die formalen Voraussetzungen für den Kronzeugenstatus ein; inhaltlich hat sich Karmasin bislang kaum zu den Vorwürfen geäußert.

Wess argumentiert, dass Beinschab weder freiwillig noch rechtzeitig an die Strafbehörden herangetreten sei. Beides ist aber notwendig, um als Kronzeugin in Betracht zu kommen. Tatsächlich äußerte sich Beinschab erst, nachdem bei ihr eine Hausdurchsuchung durchgeführt und sie zeitweise festgenommen worden war. Laut Wess ist Beinschab eine "Tatbeteiligte mit führendem oder auch nur mitbestimmendem Tatbeitrag", was sie ebenso als Kronzeugin disqualifiziere. Angesichts der Vorwürfe, die ja bis hin zum Korruptionsverdacht gegen den damaligen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) lauten, sei "auch aus spezialpräventiver Sicht" ein Kronzeugenstatus nicht zulässig, schreibt Wess.

Die Frage der Freiwilligkeit

In ihrem Antrag war Beinschabs Anwältin Katrin Blecha-Ehrbar durchaus auf diese rechtlichen Hürden eingegangen, die von Karmasins Verteidigung nun angeführt werden. Sie argumentierte naturgemäß anders: So habe Beinschab in ihrer Einvernahme nach der Hausdurchsuchung neue Erkenntnisse geliefert, die der WKStA zuvor nicht bekannt gewesen waren. In Bezug auf diese Verfahrensstränge seien Rechtzeitigkeit und Freiwilligkeit also gegeben. Beinschab hatte den Behörden unter anderem berichtet, dass Karmasin Ministerien getäuscht habe, indem sie Beinschab und eine weitere Meinungsforscherin zum Legen von Scheinangeboten motiviert habe. Außerdem behauptete Beinschab, Karmasin habe das Institut ihrer früheren Assistentin für eigene Geschäftstätigkeiten benutzt, um diese zu verschleiern.

Die Entscheidung über die Vergabe des Kronzeugenstatus liegt vorerst bei der WKStA, danach prüfen Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien und das Justizministerium. Da es bislang nur wenige Kronzeugen gab, ist eine Einschätzung über den Erfolg von Beinschabs Antrag schwierig – und dessen Erledigung wird wohl einige Zeit dauern. (Fabian Schmid, 20.4.2022)