Wer auf Missstände hinweist, soll künftig geschützt werden.

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Verbotene Absprachen, illegale Auftragsvergaben oder Verstöße gegen Umweltgesetze: Wer als Arbeitnehmer Missstände im eigenen Unternehmen aufdeckt, soll laut der Europäischen Union künftig vor rechtlichen Konsequenzen geschützt werden.

Österreich hat die Vorgaben der Whistleblower-Richtlinie aber nach wie vor nicht umgesetzt – obwohl die Frist dafür bereits im Dezember auslief und die EU-Kommission mittlerweile ein Verfahren gegen die Republik eingeleitet hat. Neuen Schwung in die Debatte könnte nun der deutsche Umsetzungsentwurf bringen, der kürzlich vorgestellt wurde und über die Vorgaben der Europäischen Union hinausgeht.

Ausdehnung notwendig

Die Mindeststandards der EU schreiben vor, dass Whistleblower, die Missstände aufdecken, umfassend vor rechtlichen Konsequenzen geschützt werden müssen – etwa vor Kündigung oder Gehaltskürzung. Behörden und Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern müssen zudem eigene Meldekanäle einrichten.

Da die EU bei der Gesetzgebung nur eingeschränkte Kompetenzen hat, kann die Richtlinie jedoch nur Personen schützen, die Verstöße gegen EU-Recht melden. "In der Praxis führt das zu mitunter eigenartigen Fällen", sagt Martin Eckel, Rechtsanwalt bei Taylor Wessing.

Deckt ein Whistleblower etwa ein illegales Kartell zwischen Salzburg und München auf, wäre er von der Richtlinie geschützt, weil ein länderübergreifender Sachverhalt vorliegt. Deckt er ein Kartell zwischen Wien und Wiener Neustadt auf, dann fällt er nicht in den Schutzbereich. Auch Whistleblower, die Korruption melden, sind von der Richtlinie nicht geschützt, weil das Strafrecht nationale Angelegenheit ist. Die EU-Kommission hat daher eine Empfehlung ausgesprochen, die Regelung auf nationale Gesetze auszudehnen.

Österreich diskutiert

Deutschland ist dieser Forderung in einem Referentenentwurf nun nachgekommen und geht über die EU-Vorgaben hinaus. "Geschützt sind auch Whistleblower, die Verstöße gegen nationales Strafrecht aufdecken", sagt Eckel. Erfasst sind also klassische Korruptionsdelikte wie Bestechung oder Amtsmissbrauch. Laut Eckel wäre es "sehr wichtig, dass sich der österreichische Gesetzgeber daran ein Beispiel nimmt und über die unionsrechtlichen Vorgaben hinausgeht". Gerade dieser Punkt dürfte in den Verhandlungen der österreichischen Regierungspartner allerdings nach wie vor umstritten sein.

Klargestellt hat die deutsche Regierung mit ihrem Entwurf auch eine zweite Frage, die in der Richtlinie nicht eindeutig geregelt ist: Konzerne müssen demnach nur eine zentrale Meldestelle einrichten – auch wenn es Tochtergesellschaften gibt, die selbst die Schwelle von 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern überschreiten.

Wann die österreichische Regierung ihren Entwurf vorlegen wird, bleibt abzuwarten. Dem Vernehmen nach dürfte das Arbeitsministerium im Prinzip fertig sein, allein die politische Einigung fehlt. (Jakob Pflügl, 20.4.2022)