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Wien – Gerade einmal eine Woche nach der Zinsentscheidung der EZB sprechen sich führende Vertreter der Notenbank für eine schnellere Anhebung der Zinsen aus – offenbar ganz zum Missfallen von EZB-Chefin Christine Lagarde. Einem Insider zufolge soll diese versucht haben, Kritik aus den eigenen Reihen nach Zinsbeschlüssen zu unterbinden. Mit einer informellen Richtlinie sind Währungshüter demnach angehalten worden, an Tagen nach dem Zinsentscheid öffentlich nur die beschlossene Mehrheitsmeinung wiederzugeben.

Diese Woche mahnten zunächst der Chef der Deutschen Bundesbank, Joachim Vogel, und sein belgischer Amtskollege ein schnelleres Tempo bei der geldpolitischen Normalisierung ein. Konkret fordern sie ein rasches Ende der Anleihenkäufe und Juli als Zeitpunkt einer ersten Erhöhung des Leitzinses, der nunmehr seit März 2016 bei null verharrt, ins Spiel gebracht. Ein Ball, den dann auch EZB-Vizepräsident Luis de Guindos aufnahm. "Aus heutiger Sicht ist Juli möglich", sagte er in einem Bloomberg-Interview. Es könne aber auch später sein. "Wir schauen uns die Daten an, und erst dann entscheiden wir."

Risiken für Konjunktur

Bei der Zinsentscheidung vergangene Woche hatte EZB-Chefin Christine Lagarde dies für das zweite Halbjahr in Aussicht gestellt, was zumeist als Zinserhöhung im September interpretiert wurde. Bei der Frühjahrstagung von Weltbank und IWF blieb sie diese Woche bei ihrer abwartenden Haltung und verwies diese Wochen auf die deutlich gestiegenen Risiken für Konjunktur. Allerdings dürfte der weitere Anstieg der Inflation in der Eurozone, die im März auf 7,4 Prozent kletterte, interne Konflikte innerhalb der Notenbank nun neuerlich aufkochen haben lassen.

Währungshüter aus den wirtschaftlich eher stärkeren Ländern im Norden der Eurozone wie Deutschland oder Österreich haben die ultralockere Linie der Notenbank oft kritisiert. Wegen der immer höheren Inflation dürften sie in der EZB nun Oberwasser gewinnen, während die meist aus dem Süden des Euroraums stammenden Verfechter der lockeren Linie in die Defensive geraten. Eingeschwenkt auf diesen Kurs war Lagardes Vorgänger Mario Draghi, der heute italienischer Ministerpräsident ist. (aha, 22.4.2022)