Delfine könnten Teil der russischen Militärstrategie sein.
Foto: imagebroker / SeaTops

Die russische Marine hat im Verlauf des Ukraine-Kriegs kürzlich einen bedeutsamen Rückschlag verzeichnet: Das ukrainische Militär sorgte aller Wahrscheinlichkeit nach für den Untergang des Flaggschiffs Moskwa. Nun wurde ein bemerkenswertes Element der russischen Verteidigungsstrategie öffentlich, wie etwa die "Washington Post" und der "Guardian" berichteten. Satellitenbilder liefern Anzeichen dafür, dass offenbar für Militärzwecke trainierte Delfine zum Schutz eines Stützpunkts im Schwarzen Meer eingesetzt werden.

Schauplatz ist der Hafen der Stadt Sewastopol, die sich auf der 2014 durch Russland annektierten Halbinsel Krim befindet. Bereits im Februar, als der erneute Angriff auf die Ukraine begann, wurden an der Hafeneinfahrt zwei Unterwassergehege platziert, wie eine Non-Profit-Organisation, das US Naval Institute (USNI), berichtet. Auch Fachleute des US-amerikanischen Satellitenfotodiensts Maxar schließen sich an: Dessen Aufnahmen decken sich mit den Indizien des USNI.

Trainierte Tiere in Norwegen und Syrien

Dass in Russland Delfine in Diensten des Militärs stehen, ist prinzipiell nicht verwunderlich – zumindest war bereits bekannt, dass die cleveren Säugetiere wie auch andere Meereslebewesen auf bestimmte Einsatzmöglichkeiten getestet werden. Vor ziemlich genau drei Jahren fiel vor der norwegischen Küste ein Weißwal auf: Der Beluga trug ein Geschirr am Körper, an dem sich wohl Waffen oder Kameras befestigen ließen. Außerdem machte er sich durch sein Verhalten bemerkbar, denn er schwamm auf Fischerboote zu, gab sich in der Interaktion mit Menschen zahm – und versuchte, an Seilen der Boote zu ziehen.

Neben den Belugas wolle die russische Marine auch Seehunde und Delfine im Polarmeer als "Assistenztiere" nutzen, hieß es damals. Die Tests hatten gezeigt, dass Delfine eher dafür infrage kommen, Marinestützpunkte zu bewachen und zu verteidigen. Während der befragte Militärexperte Wiktor Baranez damals den Verdacht der norwegischen Meeresbiologen, der Weißwal sei dem Marinestützpunkt Murmansk entkommen, als "Unsinn" bezeichnete, machte er aus dem Einsatz von Delfinen kein Geheimnis. Während des Syrien-Kriegs dürften von russischer Seite ebenfalls Delfine an der Küste vor der Stadt Tartus zum Einsatz gekommen sein, wie Satellitenbilder aus dem Jahr 2018 zeigen.

Kampfdelfine in USA und Sowjetunion

Auch im internationalen Vergleich ist dies nicht ungewöhnlich: Die Sowjetunion und die USA trainierten während des Kalten Krieges Delfine für Aufklärungsjobs, also um beispielsweise in Häfen und um Schiffe zu patrouillieren. Außerdem könnten sie Taucherinnen und Taucher begleiten – oder abwehren, wenn diese versuchen, Schiffe zu sabotieren. Manche der Meeressäuger können auch darauf abgerichtet werden, Minen auf feindlichen Schiffe abzusetzen – oder diese sowie andere Waffen aufzuspüren, wobei ihnen ihr ausgeprägter Hörsinn nützt. In den USA wurden mindestens 28 Millionen Dollar dafür ausgegeben, Delfine und Seelöwen zu unterhalten.

Schon im Kalten Krieg seien dem USNI zufolge in einem Aquarium in der Nähe von Sewastopol "Kampfdelfine" entsprechend trainiert worden. Das Projekt ging nach dem Ende der Sowjetunion an die Ukraine, geriet in den 1990er-Jahren in Vergessenheit und wurde 2012 reaktiviert, heißt es.

Hafenpatrouille gegen Unterwasserangriffe

Nach der Krim-Annexion zwei Jahre später habe man die Rückgabe der Tiere gefordert, doch Russland behielt sie und plante damals, das Programm auszuweiten. Eine russische Nachrichtenagentur berichtete, dass neue Geräte entwickelt wurden: Die schallbasierte Unterwasserortung der Delfine, mit der sie Ziele erfassen können, wurde in ein Signal umgewandelt, das auf einem Monitor kontrolliert werden kann.

"Der ukrainischen Marine fehlten die Mittel für dieses Know-how, und einige Projekte mussten eingemottet werden", wurde mitgeteilt. Für die nachfolgenden Jahre ist ein Ausschreibungsverfahren dokumentiert, um für 1,75 Millionen Rubel – damals rund 25.000 Euro – fünf weitere Delfine nach Sewastopol zu liefern, möglichst "mit perfektem Gebiss". Ob diese nun zur Hafenpatrouille gehören, ist unklar. Viele der russischen Schiffe im Hafen seien der USNI zufolge für Raketen schwierig zu erreichen, aber anfällig für Unterwasserangriffe – und gegen manche davon könnten sich die Säugetiere als hilfreich erweisen. (sic, 28.4.2022)